Mit dem am 20. Januar 2021 vom Bundeskabinett gebilligten Regierungsentwurf für ein Gesetz zur Modernisierung der Entlastung von Abzugsteuern und der Bescheinigung von Kapitalertragsteuer („AbzStEntl-ModG“) sollen – etwas überraschend – auch die Verrechnungspreisvorschriften im AStG verschärft werden. Im Übrigen sieht der Regierungsentwurf eine Rechtsgrundlage für Vorabverständigungsverfahren (APA-Verfahren) vor. Die betroffenen Regelungen und Neuerungen sind nicht gänzlich unbekannt. Denn sie fanden sich doch bereits in ähnlicher Form schon im RefE eines ATAD-UmsG vom 10. Dezember 2019, waren dort aber zuletzt (RefE vom 17. November 2020) nicht mehr enthalten.

Verschärfungen bei der Verrechnungspreisermittlung

Die in § 1 AStG niedergelegten Verrechnungspreisvorschriften werden durch den Gesetzesentwurf reformiert. Hierdurch soll insbesondere den im Zuge des BEPS-Projekts erarbeiteten Empfehlungen der OECD Rechnung getragen und die deutschen Vorschriften an internationale Standards angepasst werden.

Die wesentlichste Änderung betrifft § 1 Abs. 3 AStG-E. Hier wird insbesondere der Funktions- und Risikoanalyse ein deutlich stärkeres Gewicht beigemessen. Außerdem wird die sog. Methodenhierarchie abgeschafft. So soll die Verrechnungspreisbestimmung und -prüfung künftig – ausgehend von den tatsächlichen Verhältnissen, unter anderem den vertraglichen Beziehungen – auf einer Analyse der im Zusammenhang mit einem Geschäftsvorfall ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten Vermögenswerten basieren. Es ist sodann die „am besten geeignete Verrechnungspreismethode“ zu bestimmen.

Der neue Abs. 3a beinhaltet Aussagen zur Bandbreitenbetrachtung. So wird festgeschrieben, dass im Verrechnungspreiskontext typischerweise eine Bandbreite (potenziell) vergleichbarer Werte resultiert. Diese Bandbreite ist regelmäßig im Wege der Interquartilsmethode einzuengen.

Zudem wird für den hypothetischen Fremdvergleich an der Mittelwertbetrachtung festgehalten.

Verrechnungspreise bei immateriellen Vermögenswerten

Außerdem sollen nach dem neuen § 1 Abs. 3c AStG-E für Verrechnungspreiszwecke ausdrücklich immaterielle Werte (nicht nur Wirtschaftsgüter) von Bedeutung sein, die ganz im Sinne der OECD-Vorgaben umschrieben werden. Für die Zuordnung der zugehörigen Erträge wird das DEMPE-Konzept kodifiziert. Folglich sind die Erträge immaterieller Werte künftig losgelöst vom (wirtschaftlichen) Eigentum zuzuordnen. Dementsprechend sind auch diejenigen Funktionen angemessen zu vergüten, die beispielsweise im Zusammenhang mit der Entwicklung oder Erschaffung des immateriellen Wertes ausgeübt werden. Die Finanzierung (beispielsweise der Entwicklung oder Schaffung eines immateriellen Wertes) ist zwar ebenfalls angemessen zu vergüten; sie alleine berechtigt jedoch nicht mehr zum Ertrag aus dem finanzierten immateriellen Wert.

Preisanpassungsklausel bei immateriellen Vermögenswerten

Die Regelungen zur Übertragung immaterieller Werte werden gänzlich neugefasst. So war bislang in der sog. Hellseherklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG die Annahme enthalten, wonach fremde Dritte bei der Übertragung eines immateriellen Werts eine Preisanpassungsklausel vereinbaren würden. Ist dies bei einer Transaktion zwischen nahestehenden nicht der Fall, so soll dies die Finanzverwaltung einmalig innerhalb von zehn Jahren zu einer Preisanpassung berechtigen. Dieser Gedanke wird nun – deutlich ausführlicher und in Orientierung an den Empfehlungen der OECD – im neuen § 1a AStG-E aufgegriffen.

 

Konkret soll bei jedweden Transaktionen im Zusammenhang mit immateriellen Werten zu prüfen sein, ob die tatsächliche Gewinnentwicklung wesentlich (zu mehr als 20%) von den der Bewertung zugrunde liegenden Gewinnerwartungen abweicht. Ist dies der Fall und wurde keine Preisanpassungsklausel vereinbart, soll innerhalb von sieben Jahren nach Geschäftsabschluss eine Einkünftekorrektur möglich sein. Eine Anpassung erfolgt jedoch insbesondere dann nicht, wenn

  1. der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass die tatsächliche Entwicklung auf Umständen basiert, die zum Zeitpunkt des Geschäftsvorfalls nicht vorhersehbar waren, oder
  2. der Steuerpflichtige nachweist, dass er bei der Bestimmung des Verrechnungspreises die aus der künftigen Entwicklung resultierenden Unsicherheiten angemessen berücksichtigt hat, oder
  3. im Hinblick auf immaterielle Werte und Vorteile Lizenzvereinbarungen getroffen werden, die die zu zahlende Lizenz vom Umsatz oder Gewinn des Lizenznehmers abhängig machen oder für die Höhe der Lizenz Umsatz und Gewinn berücksichtigen.

Keine Verschärfungen bei Finanzierungsbeziehungen

Im zunehmenden Maße rückt die Ermittlung angemessener Verrechnungspreise bei konzerninternen Finanzierungsbeziehungen (z.B. Darlehen) in den Fokus. Vor diesem Hintergrund strebte Deutschland die Einführung von Sonderregelungen für Finanzierungsbeziehungen an. Hierdurch ergeben sich erhebliche Doppelbesteuerungsrisiken für international tätige Unternehmen. Diese Sonderregelungen sind – anders als im RefE eines ATAD-UmsG vom 10. Dezember 2019 – nicht mehr vorgesehen.

Änderungen bei Funktionsverlagerungen

§ 1 Abs. 3b AStG-E beinhaltet die bekannten Vorschriften zur Funktionsverlagerung. Dabei ist künftig nur noch erforderlich, dass Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile (bislang: und) verlagert werden. Sehr zu begrüßen ist indessen die – im Vergleich zum RefE ATAD-UmsG vom 10. Dezember 2019 – vollzogene Wiederaufnahme der Rückausnahmen für die typischen Formen des Outsourcings. So kommt es dann zu keiner Funktionsverlagerungsbesteuerung, wenn der Steuerpflichtige glaubhaft macht, dass weder wesentliche immaterielle Wirtschaftsgüter noch sonstige Vorteile Gegenstand der Funktionsverlagerung waren. Dies gilt analog zu der heute in § 2 Abs. 2 Satz 1 FVerlV getroffenen Regelung dann, wenn das übernehmende Unternehmen die übergehende Funktion ausschließlich gegenüber dem verlagernden Unternehmen ausübt und das Entgelt, das für die Ausübung der Funktion und die Erbringung der entsprechenden Leistungen anzusetzen ist, nach der Kostenaufschlagsmethode zu ermitteln ist.

Neue Vorschriften für APA-Verfahren

Das AbzStEntl-ModG will erstmalig eine eigenständige nationale Rechtsgrundlage für bi- und multilaterale Vorabverständigungsverfahren (APA-Verfahren) schaffen. Das APA-Verfahren soll zukünftig auf Antrag eingeleitet werden, sofern es der steuerlichen Beurteilung von genau bestimmten, im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalten für einen bestimmten Geltungszeitraum dient. Der Steuerpflichtige hat in seinem Antrag unter anderem die Gefahr einer Doppelbesteuerung darzulegen und zu begründen. Wenn Steuervermeidung als erkennbares Motiv im Antrag zutage tritt, scheidet ein APA-Verfahren indes aus.

Keine Verschärfung der Dokumentationsvorschriften

Zur Dokumentation der Angemessenheit von Verrechnungspreisen muss unter anderem eine – innerhalb einer Unternehmensgruppe prinzipiell identische – Stammdokumentation (sog. Master File) von Steuerpflichtigen „großer“ Unternehmensgruppen erstellt werden. Das Master File soll einen Überblick über die globalen Geschäftstätigkeiten und die Verrechnungspreispolitik der Unternehmensgruppe geben.

Ein Master File ist jedoch nur dann zu erstellen, wenn der Umsatz des Unternehmens im vorangegangenen Wirtschaftsjahr mindestens 100 Mio. € betragen hat. Dieser Schwellenwert sollte ursprünglich nach dem ATAD-UmsG auf 50 Mio. € herabgesetzt werden. Außerdem sollte das Master File zukünftig vom Steuerpflichtigen der örtlich zuständigen Finanzbehörde zeitnah elektronisch übermittelt werden. Diese Verschärfungen der Dokumentationsvorschriften sind nicht mehr vorgesehen.