Bewältigung von Unternehmenskrisen nach dem StaRUG 

01.10.2020

Das Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz (BMJV) hat am 19. September 2020 den Entwurf eines Gesetzes zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts vorgestellt. Schwerpunkt der Gesetzesinitiative ist die Einführung eines neuen Gesetzes über den Stabilisierungs- und Restrukturierungsrahmen für Unternehmen (Unternehmensstabilisierungs- und restrukturierungsgesetz- StaRUG).

 

Mit dem StaRUG wird in Deutschland eine europäische Richtlinie ((EU) 2019/1023 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20. Juni 2019) umgesetzt, wonach die EU-Mitgliedstaaten verpflichtet sind, einen präventiven Restrukturierungsrahmen einzuführen. Mit dem präventiven Restrukturierungsrahmen würde die bisher zwischen der außergerichtlichen Unternehmenssanierung einerseits und der Sanierung im Insolvenzplanverfahren andererseits bestehende Lücke geschlossen.

Außergerichtliche Sanierung hat sich in der Praxis bewährt

Geraten Unternehmen in Schieflage, hat sich in Deutschland die Praxis der außergerichtlichen Sanierung bewährt. Häufig von Banken und Finanzierern initiiert wird zunächst die Sanierungsfähigkeit auf der Grundlage eines Sanierungsgutachtens ­häufig nach dem Standard des Instituts der Wirtschaftsprüfer IDW S 6 überprüft. Die erarbeiteten Sanierungsmaßnahmen ­wie etwa ein Schuldenschnitt oder die Umwandlung von Krediten (Fremdkapital) in Eigenkapital (sog. Debt-to-Equity Swap) werden dann mit den Gläubigern und Gesellschaftern verhandelt. Die Umsetzung erfolgt in der Regel auf der Grundlage eines Restrukturierungsrahmenvertrages. Dieser regelt verbindlich die Sanierungsbeiträge der Beteiligten, insbesondere der Gläubiger und Gesellschafter.

 

Anders als im Insolvenzverfahren erfolgt die außergerichtliche Sanierung in der Regel leise ohne große Öffentlichkeit. Darin liegt ihre Stärke.

Zustimmung sämtlicher Gläubiger erforderlich

Die Schwäche liegt allerding darin, dass sämtliche Gläubiger, von dem das Unternehmen einen Sanierungsbeitrag einfordert, zustimmen müssen. Der Abschluss der Restrukturierungsrahmenvereinbarung erfolgt nach allgemeinen zivilrechtlichen Grundsätzen freiwillig.

 

Zu einem Sanierungsbeitrag – insbesondere Forderungsverzicht – gezwungen werden können Gläubiger nur im Insolvenzplanverfahren. Dort gilt das Mehrheitsprinzip, das heißt stimmen die Gläubiger dem Insolvenzplan mehrheitlich zu, sind auch die Gläubiger gebunden, welche den Insolvenzplan und die dort enthaltenen Sanierungsbeiträge abgelehnt haben.

 

Die verbindliche Verabschiedung eines solchen Insolvenzplanes setzt allerdings einen Insolvenzantrag und die Durchführung eines – für das Unternehmen schwer steuerbaren und mit negativer Öffentlichkeit verbundenen – Insolvenzverfahrens voraus.

Lösung durch Einführung des Mehrheitsprinzips im Restrukturierungsrahmen

Der neue Restrukturierungsrahmen nach dem StaRUG setzt genau an dieser Stelle an. Um zu vermeiden, dass eine wirtschaftlich vernünftige außergerichtliche Sanierung am Widerstand einzelner Beteiligter scheitert, stellt das StaRUG dem Schuldner einen „Baukasten“ rechtlicher Maßnahmen zur Stabilisierung sanierungsbedürftiger und sanierungsfähiger Unternehmen zur Verfügung.

 

Das Herzstück dieser Maßnahmen nach dem StaRUG ist der Restrukturierungsplan. Dieser kann – ähnlich wie ein Insolvenzplan – bestimmte Sanierungsbeiträge, insbesondere Forderungsverzichte und Stundungen, gegen den Willen der Gläubiger durchsetzen. Der Restrukturierungsplan ist für alle betroffenen Gläubiger verbindlich, wenn eine qualifizierte Mehrheit von 75% in den Gläubigergruppen erreicht wird.

 

Unter bestimmten, vom Restrukturierungsgericht in diesem Fall zu prüfenden, Voraussetzungen kann der Restrukturierungsplan auch dann gegen den Willen der betroffenen Gläubiger durchgesetzt werden, wenn der Restrukturierungsplan nicht in allen Gläubigergruppen die qualifizierte Mehrheit erreicht.

 

Im Hinblick auf die Abstimmung über den Restrukturierungsplan sieht das StaRUG vor, dass das Unternehmen die Abstimmung der planbetroffenen Gläubiger und gegebenenfalls Gesellschafter frei organisieren kann. Dabei stellt das Gesetz mehrere Abstimmungsformen zur Verfügung – von einem losem Planangebot (§ 19), über die Abstimmung im Rahmen einer Planbetroffenenversammlung (§ 22) bis zum gerichtlichen Planabstimmungsverfahren (§ 25). Enthält der Restrukturierungsplan Sanierungsbeiträge – in der Regel Forderungsverzichte oder Stundungen von Gläubigern – entfaltet dieser nach Abstimmung und Erreichen einer qualifizierten Mehrheit unmittelbare Wirkung auch gegen ablehnende Beteiligte, wenn der Restrukturierungsplan vom Restrukturierungsgericht bestätigt wird.

Zugang für Unternehmen bei drohender Zahlungsunfähigkeit

Unternehmen erhalten Zugang zum Restrukturierungsrahmen, wenn deren Zahlungsunfähigkeit droht. Liegt bereits Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung vor, ist der Zugang zum Restrukturierungsrahmen ausgeschlossen. Dann kommt lediglich eine Sanierung im Insolvenzplanverfahren gegebenenfalls in Eigenverwaltung oder Schutzschirmverfahren in Betracht.

 

Die drohende Zahlungsunfähigkeit wird durch das Gesetz zur Fortentwicklung des Sanierungs- und Insolvenzrechts neu definiert. Der Schuldner droht zahlungsunfähig zu werden, wenn er in der Zukunft voraussichtlich nicht in der Lage sein wird, die bestehenden Zahlungspflichten im Zeitpunkt der Fälligkeit zu erfüllen.

 

Dabei ist – und diese Klarstellung ist neu – in aller Regel ein Prognosezeitraum von 24 Monaten zugrunde zu legen. Ist für Unternehmen somit absehbar, dass in den nächsten 24 Monaten die Zahlungsunfähigkeit eintreten wird, etwa weil eine Anschlussfinanzierung nicht gestemmt werden kann, ist der Restrukturierungsrahmen eröffnet. Andererseits darf die Überschuldung noch nicht eingetreten sein.

 

Friktionen können sich hier mit der im Rahmen der Überschuldungsprüfung durchzuführenden Fortbestehensprognose (§ 19 Abs. 2 InsO) ergeben. Diese Friktionen werden zum Teil durch das StaRUG entschärft, indem § 19 Abs. 2 n.F. InsO die Fortbestehensprognose im Rahmen der Überschuldungsprüfung lediglich eine Zahlungsfähigkeitsprognose für zwölf Monate und nicht – wie bisher herrschende Meinung bis zu 24 Monate – verlangt.

 

Über den Restrukturierungsplan hinaus steht den Unternehmen – sollte die veröffentlichte Gesetzvorlage so umgesetzten werden – weitere Instrumente zur Förderung der Sanierung außerhalb des Insolvenzverfahrens zur Verfügung. So kann etwa das Restrukturierungsgericht auf Antrag des Unternehmens belastende Verträge beenden oder drohende Zwangsvollstreckungen zeitweise einstellen.

 

Das Gesetz soll am 1. Januar 2021 in Kraft treten. Es ist zu erwarten, dass der Restrukturierungsplan nach dem StaRUG sich zu einem wesentlichen Instrument zur Bewältigung der durch die COVID-19-Pandemie ausgelösten Unternehmenskrisen entwickeln wird. Aufgrund dieser politischen Aktualität ist mit einem schnellen Gesetzgebungsverfahren zur rechnen.