In einem kürzlich veröffentlichten Beschluss hat sich der BFH zur Anwendbarkeit von Entstrickungsregelungen sowie allgemeinen Verrechnungspreis- und Zuordnungsfragen bei personallosen Betriebsstätten geäußert (Beschluss v. 24.11.2021, I B 44/21). Dabei stellt der BFH bei personallosen Betriebsstätten sowohl die Anwendbarkeit der Entstrickungsregelungen als auch den Fokus auf Personalfunktionen allgemein in Frage.

Hintergrund

Mit Wirkung zum 01.01.2013 hatte der Gesetzgeber in § 1 AStG die Absätze 5 und 6 neu eingefügt. Diese sehen vor, dass für die Bestimmung von Verrechnungspreisen zwischen Stammhaus und Betriebsstätte der sog. „Authorised OECD Approach“ (AOA) anzuwenden ist. Nach dem AOA wird die Aufteilung von Einkünften zwischen einer Betriebsstätte und dem Stammhaus maßgeblich anhand der ausgeübten Personalfunktionen bestimmt.

 

Im Folgenden wandte die Finanzverwaltung diesen Ansatz jedoch nicht nur für die Bestimmung von Verrechnungspreisen, sondern auch für die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten an. Dies führte dazu, dass Wirtschaftsgüter, die zuvor personallosen Betriebsstätten zugeordnet waren, nun dem Stammhaus zugeordnet wurden. Im Ergebnis folgte demnach häufig eine Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG bzw. § 12 Abs. 1 Sätze 1, 2 KStG, ohne, dass der Steuerpflichtige diesen Vorgang beeinflussen konnten.

Zugrundeliegender Sachverhalt

Vorliegendem Beschluss bezüglich eines Antrags auf Aussetzung der Vollziehung lag eine Entstrickung zum 01.01.2013 bei einem Windpark-Betreiber zugrunde.

 

Antragstellerin ist eine Kommanditgesellschaft, die auf einem gepachteten Grundstück in der Bundesrepublik Deutschland ohne eigene Mitarbeiter einen Windpark betrieb. Die Kommanditanteile wurden von einer KG dänischen Rechts gehalten. Persönlich haftende Gesellschafterin der Antragstellerin war eine GmbH dänischen Rechts (ohne Beteiligung am Kapital). Mangels Personal in Deutschland ging das zuständige Finanzamt ab dem 01.01.2013 davon aus, dass die Wirtschaftsgüter des Windparks nicht mehr der deutschen Betriebsstätte zuzuordnen waren. Die Zuordnung sollte vielmehr zur dänischen Geschäftsleitungsbetriebstätte erfolgen, was eine Entstrickungsbesteuerung nach § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG zur Folge hatte (entsprechend Verwaltungsgrundsätzen Betriebsstättengewinnaufteilung VWG BsGa, BMF-Schreiben v. 22.12.2016, BStBl. I 2017, 182 Rz. 451).

Keine Übertragung auf die Entstrickungsbesteuerung

Dieser Übertragung der Grundsätze des Außensteuergesetzes auf die ertragssteuerliche Beurteilung der Entstrickung hat sich nun der BFH entgegengestellt.

 

Der BFH teilt hier unter anderem die bereits im Schrifttum vorgebrachte Kritik, dass Entstrickungsvorschriften eine Zuordnung nach Personalfunktionen nicht kennen. Ferner stünden diese Regelungen tatbestandlich und in ihrer Rechtsfolge „unverbunden nebeneinander“. Dafür spreche, dass sich die Regelungen auf unterschiedliche Ebenen der Steuerermittlung beziehen: § 4 Abs. 1 Sätze 3, 4 EStG greife bereits auf Ebene der Gewinnermittlung, während § 1 Abs. 5 AStG erst als Einkünftekorrekturvorschrift in Betracht käme. Letztlich sei eine Übertragung der Zuordnung nach Personalfunktionen nicht über den Bereich der Verrechnungspreise hinaus geboten.

Auch Neues in Hinblick auf Verrechnungspreise

In seinem Beschluss befasste sich der BFH weiterhin mit allgemeinen Fragestellungen zu Verrechnungspreisen bei personallosen Betriebsstätten.

 

So zieht der BFH die durch die Finanzverwaltung aufgestellte Voraussetzung in Zweifel, dass für die Personalfunktionen allein eigenes Personal beachtlich sei. Dies finde sich nicht im Wortlaut des Gesetzes wieder. Eine entsprechende Verengung sei daher allein auf Basis der auf Grundlage des § 1 Abs. 6 AStG erlassenen Betriebsstättengewinnaufteilungsverordnung (BsGaV) möglich, die eine solche Beschränkung in § 2 Abs. 3, 4 BsGaV vorsieht.

 

Da diese jedoch erst für Veranlagungszeiträume ab dem 1.1.2015 gelte, wäre diese Beschränkung für den Zeitraum vom 1.1.2013 bis zum 31.12.2014 nicht anwendbar. Entsprechend sind Verrechnungspreise für diesen Zeitraum, nach den Personalfunktionen ohne Beschränkung auf eigenes Personal zu bestimmen.

 

Letztlich stellt der BFH die Anwendung der Personalfunktionen im Rahmen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern bei personenlosen Betriebsstätten generell in Frage. Dies führe gegebenenfalls zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass die Wirtschaftsgüter, die die personenlose Betriebsstätte gerade erst begründen würden, nicht der personenlosen Betriebsstätte zuzuordnen wären.

Fazit

Der Beschluss des BFH bewirkt, dass die Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu personallosen Betriebsstätten (sowohl für Entstrickungstatbestände als auch die Verrechnungspreise) neu gedacht werden muss. Auch wenn es sich bei dem Beschluss bloß um eine summarische Prüfung handelt, scheint die diesbezügliche Auffassung des BFH recht eindeutig. Entsprechend könnten vielerorts Neubewertungen der Zuordnung von Wirtschaftsgütern zu Betriebsstätten notwendig sein.

 

Hinzu kommen die geäußerten Zweifel des BFH an der bisherigen Praxis zur Bestimmung von Verrechnungspreisen bei personallosen Betriebsstätten, die ebenfalls auf eine potentielle Neubewertung hindeuten.