Für Ausschüttungen von EU-Kapitalgesellschaften bietet § 27 Abs. 8 KStG die Möglichkeit einer steuerneutralen Einlagerückgewähr. Dies erfordert jedoch ein vorgelagertes Feststellungsverfahren der EU-Kapitalgesellschaft. Wird das Verfahren von der Gesellschaft nicht geführt, gilt jede Ausschüttung der Gesellschaft als steuerpflichtige Dividende (§ 27 Abs. 8 S. 9 KStG). Für den Anleger sieht das Gesetz keine Möglichkeit des individuellen Nachweises einer Einlagerückgewähr vor.

 

Diese Behandlung verstößt nach Ansicht des BFH gegen die europarechtlich gebotene Kapitalverkehrsfreiheit.

Sachverhalt: Sachausschüttung von Verizon-Aktien an Vodafone-Aktionäre

 

 

 

 

 

 

In dem vom BFH zu beurteilenden Sachverhalt ging es um eine Kapitalmaßnahme der britischen Vodafone Group PLC im Jahr 2014, d.h. vor Austritt Großbritanniens aus der EU.

 

Eine Tochtergesellschaft der Vodafone Group PLC (Vodafone Americas Finance 1) war mittelbar zu 45% an der US-Gesellschaft Verizon Wireless beteiligt. Die Beteiligung an der Vodafone Americas Finance 1 wurde im Jahr 2013 an die Verizon Communications Inc. gegen Barzahlung sowie Gewährung von Verizon-Aktien veräußert. Auf der Hauptversammlung der Vodafone Group PLC im Jahr 2014 wurde sodann eine Sachausschüttung der erhaltenen Verizon-Aktien an die Vodafone-Aktionäre beschlossen.

 

Das zuständige Finanzamt wollte die Sachausschüttung als steuerpflichtigen Kapitalertrag behandeln. Die Kläger hingegen wollten eine steuerneutrale Kapitalmaßnahme gem. § 20 Abs. 4a S. 5 bzw. S. 7 EStG annehmen.

Kernaussagen des BFH

Anders als im Urteil zum PayPal Spin-Off sah der BFH in der vorliegenden Kapitalmaßnahme keinen Vorgang, der mit einer Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar war. Die Zuteilung der Verizon-Aktien war nicht in einem zeitlichen und sachlichen Zusammenhang mit der Übertragung von Vermögen auf den übernehmenden Rechtsträger.

 

Der BFH nahm aber dennoch keinen steuerpflichtigen Kapitalertrag – wie vom Finanzamt vorgetragen – an. Vielmehr hielt er eine Zurückverweisung an das Finanzgericht für notwendig, welches feststellen sollte, ob eine steuerneutrale Einlagerückgewähr vorliege. Falls der Anteilseigner individuell nachweisen könne, dass es sich bei der Aktienzuteilung nur um die Rückgewähr von Einlagen handeln könne, wäre nach Ansicht des BFH ein Vorabentscheidungsverfahren bei dem Europäischen Gerichtshof (EuGH) nötig. Denn nach Auffassung des BFH verstoße das vorgelagerte Feststellungsverfahren auf Ebene einer EU-Kapitalgesellschaft gem. § 27 Abs. 8 KStG gegen die europarechtlich gebotene Kapitalverkehrsfreiheit.

Praxisfolgen

Der BFH verdeutlicht in diesem Urteil, dass nicht jeder ausländische Spin-Off mit einer Abspaltung i.S.d. § 123 Abs. 2 UmwG vergleichbar ist. Dennoch ist nicht automatisch von einem steuerpflichtigen Kapitalertrag auszugehen. Vielmehr müsse das Vorliegen einer steuerneutralen Einlagerückgewähr geprüft werden.

 

Für inländische Kapitalgesellschaften wird regelmäßig ein steuerliches Einlagekonto geführt, in dem Einlagen der Anteilseigner erfasst werden. (Sach-)Ausschüttungen aus dem steuerlichen Einlagekonto werden nicht als Kapitalertrag qualifiziert (§ 20 Abs. 1 Nr. 1 S. 3 EStG), sondern mindern steuerneutral die Anschaffungskosten der Beteiligung.

 

Für Ausschüttungen von ausländischen Kapitalgesellschaften bietet § 27 Abs. 8 KStG lediglich für EU-Kapitalgesellschaften die Möglichkeit einer steuerneutralen Einlagerückgewähr. Dies erfordert jedoch ein vorgelagertes Feststellungsverfahren der EU-Kapitalgesellschaft. Wird das Verfahren von der Gesellschaft nicht geführt, gilt gem. § 27 Abs. 8 S. 9 KStG jede Ausschüttung der Gesellschaft als steuerpflichtige Dividende.

 

Für die Anleger sieht das Gesetz keine Möglichkeit des individuellen Nachweises einer Einlagerückgewähr vor. In der Praxis bedeutet dies häufig, dass die Anleger – trotz einer objektiv vorliegenden Einlagerückgewähr – die Ausschüttung als steuerpflichtige Dividende behandeln müssen. Auch im Sachverhalt hatte die Vodafone Group PLC kein Feststellungsverfahren geführt. Die Aktionäre waren als Kleinanleger faktisch auch nicht in der Lage, Vodafone zu einem solchen Verfahren zu verpflichten.

 

Für Drittstaaten-Kapitalgesellschaften besteht bereits keine gesetzliche Regelung für den Nachweis einer Einlagerückgewähr. In der Folge haben deutsche Finanzämter sämtliche Ausschüttungen von Drittstaaten-Kapitalgesellschaften als steuerpflichtigen Kapitalertrag auf Ebene der deutschen Anleger behandelt. Dieses Vorgehen hat der BFH aber bereits mit Urteil v. 10. April 2019 für europarechtswidrig erklärt. Anteilseignern einer Drittstaaten-Kapitalgesellschaft müsse im Rahmen des Veranlagungsverfahrens die Möglichkeit gegeben werden, eine Einlagerückgewähr individuell nachzuweisen.

 

Das vorliegende Urteil erweitert diese Grundsätze auch auf EU-Kapitalgesellschaften. Auch hier sollten Anleger künftig in der Lage sein, eine Einlagerückgewähr im Rahmen des Veranlagungsverfahrens individuell nachzuweisen.