BFH: Kartenpfand für Zahlungskarten in Stadien

17.06.2022 | FGS Blog
Dr. Philipp Klinker

Die Anwendung der Steuerbefreiung für Umsätze im Zahlungs- und Überweisungsverkehr nach § 4 Nr. 8 Buchst. d) UStG ist in der Praxis oftmals umstritten. Zuletzt lehnte der EuGH die Einordnung von Leistungen i.Z.m. dem Betrieb von Geldausgabeautomaten an eine Bank als steuerfreien Umsatz im Zahlungsverkehr ab (Urteil v. 3.10.2019 – C-42/18, Cardpoint). Ebenso verneinte der BFH die Bewertung von „Processing-Leistungen“ an die „Issuing-Bank“ im Kreditkartengeschäft als steuerfreie Leistungen nach § 4 Nr. 8 Buchst. d) UStG (Beschluss v. 10.12.2020 – V R 4/19).

In einem aktuellen Urteil äußert sich der BFH zur umsatzsteuerlichen Behandlung des Pfandes für die Ausgabe elektronischer Zahlungskarten zur Bezahlung in Stadien (Urteil v. 26.1.2022 – XI R 19/19 (XI R 12/17)). Obwohl der Titel des Urteils zunächst nicht darauf hindeutet, enthält diese Entscheidung interessante Aussagen zu steuerfreien Zahlungsverkehrsumsätzen.

Sachverhalt

Der Kläger entwickelte und vertrieb bargeldlose Zahlungssysteme, die in Stadien zum Einsatz kamen. Er überließ den Besuchern elektronische Zahlungskarten, die sie aufladen konnten. Für die Besucher bestand dadurch die Möglichkeit, die Karte bzw. das Guthaben zur bargeldlosen Zahlung von Speisen und Getränken bei Caterern in den Stadien einzusetzen. Der Kläger erhob bei der Ausgabe der Karten ein Kartenpfand, das vom Ausgabewert einbehalten wurde. Die Besucher konnten die Karte innerhalb eines bestimmten Zeitraums zurückgeben. Der Pfandbetrag wurde in diesem Fall erstattet. Der Kläger bot einen umfassenden Service für den Kartenzahlungsverkehr an, in dem er Kartenlesegeräte zur Verfügung stellte und im Stadion mit eigenem Personal den Vertrieb, die Aufladung und Rückgabe der Karten organisierte. Er übernahm insbesondere auch die Abwicklung der mit den Karten getätigten Zahlungen.

Der Kläger bewertete das Kartenpfand nicht als Entgelt für steuerpflichtige Umsätze. Denn entweder liege echter nicht steuerbarer Schadenersatz vor oder die Ausgabe der Karte sei als Nebenleistung zu einem steuerfreien Umsatz von gesetzlichen Zahlungsmitteln bzw. im Zahlungsverkehr gem. § 4 Nr. 8 Buchst. b) bzw. d) UStG zu bewerten. Diese umsatzsteuerliche Einordnung griff das Finanzamt an und setzte Umsatzsteuer fest, da das Kartenpfand Entgelt für die steuerpflichtige Lieferung der Karte darstelle.

Entscheidung des BFH

Der BFH kommt in erfreulicher Deutlichkeit zu dem Ergebnis, dass der Kläger einheitliche sonstige Leistungen erbrachte, die steuerfrei nach § 4 Nr. 8 Buchst. d) UStG sind.

Zunächst lehnt der BFH die Bewertung des Kartenpfandes als echten nicht steuerbaren Schadenersatz ab. Denn zwischen dem Kläger und den Besuchern kam jeweils ein Vertrag über die Nutzung der Karte als Zahlungssystem zustande. Im Rahmen dieser Rechtsverhältnisse überließ der Kläger die Karten und gewährte den Besuchern hierdurch Zugang zu der von ihm bereitgestellten Infrastruktur für den bargeldlosen Zahlungsverkehr. Das Kartenpfand ist daher das Entgelt für die Ausgabe der Karte als zwingende Voraussetzung zur Inanspruchnahme des bargeldlosen Zahlungsverkehrs.

Ausgehend hiervon erteilt der BFH der Bewertung der Kartenüberlassung als steuerpflichtige Lieferung eine Absage. Vielmehr betrachtet er die Ausgabe der Karten im Gesamtkontext des seitens des Klägers betriebenen bargeldlosen Zahlungssystems in den Stadien und ordnet die Ausgabe der Karte als untrennbaren Teil dieser (einheitlichen) Dienstleistung ein. Dies begründet der BFH dadurch, dass das Interesse der Karteninhaber ausschließlich auf die bargeldlose Zahlung in den Stadien gerichtet war, so dass der Erwerb der Karte in den Hintergrund tritt.

Auf dieser Basis führt der BFH aus, dass diese einheitliche Leistung, deren charakteristischer Schwerpunkt die Eröffnung der bargeldlosen Zahlungsmöglichkeit ist, einen steuerfreien Zahlungsverkehrsumsatz gem. § 4 Nr. 8 Buchst. d) UStG darstellt. Denn das seitens des Klägers betriebene bargeldlose Zahlungssystem führte durch die Prüfung und Freigabe der Zahlungen zu einer Übertragung von Geldbeträgen, so dass die Tatbestandsmerkmale des § 4 Nr. 8 Buchst. d) UStG erfüllt sind.

Praxisfolgen

Über den entschiedenen Einzelfall hinaus beinhalten die Ausführungen des BFH interessante Argumentationsansätze für die umsatzsteuerliche Behandlung der Gebühren im Debit- und Kreditkartengeschäft. Das FG Münster versagte die Bewertung der seitens der Kartengesellschaft MasterCard Europe ggü. den kartenemittierenden Banken abgerechneten „Debit Card Fee“ als Entgelt für eine steuerfreie Leistung nach § 4 Nr. 8 Buchst. d) UStG (Urteil v. 14.11.2017 – 15 K 197/15 U). Nach der Rechtsauffassung des FG Münster werde die „Debit Card Fee“ nicht für die Teilnahme am bargeldlosen Zahlungs- bzw. Überweisungsverkehr bezahlt und es handele sich nicht um eine unselbständige Nebenleistung zu einer Leistung im Zahlungsverkehr.

Auch wenn sachverhaltsseitig selbstverständlich – allein in Anbetracht der Anzahl der beteiligten Parteien – Unterschiede zwischen dem bargeldlosen Zahlungssystem in Stadien und den Leistungen der Kartengesellschaften an die kartenemittierenden Banken im Debit- und Kreditkartengeschäft nach dem Lizenzmodell bestehen, ist doch hervorzuheben, dass der BFH den Schwerpunkt der Leistung des Klägers in der Eröffnung der bargeldlosen Zahlungsmöglichkeit sah, die im Streitfall den Anforderungen der Steuerbefreiung des § 4 Nr. 8 Buchst. d) UStG genügte. Dem stand nach der Rechtsauffassung des BFH nicht entgegen, dass mit der Erbringung der Leistung des Klägers auch administrative, organisatorische sowie technische Dienstleistungen in den Stadien verbunden waren, da insoweit vorgelagerte, begleitende oder nachgelagerte Tätigkeiten zum Zahlungsverkehrsvorgang vorlagen. Daher bietet die Entscheidung des BFH möglicherweise Argumentationsansätze, soweit in Betriebsprüfungen die Steuerbefreiung der Leistungen der Kartengesellschaften an die kartenemittierenden Banken kritisch hinterfragt wird.