Beim Unternehmensverkauf besteht zwischen Verkäufer und Käufer eine Informationsasymmetrie. Der Verkäufer kennt die Historie, gegenwärtige Lage und Zukunftsaussichten seines Unternehmens in der Regel deutlich besser als der Käufer. Zudem haben Verkäufer und Käufer in der Kaufpreisverhandlung gegenläufige Ziele, sodass der Verkäufer die Lage eher (zu) gut und der Käufer sie eher (zu) schlecht darstellt. Ein Earn Out kann bei dieser typischen Ausgangslage als Brücke dienen. Beim Earn Out handelt es sich um einen Teil des Kaufpreises, der erst zukünftig bei Eintritt einer oder mehrerer Bedingungen fällig wird. Die wirtschaftliche und steuerliche Konstruktion dieser Earn Out-Brücke sollte genau bedacht werden. Der folgende Beitrag skizziert jeweils drei wesentliche Stellschrauben.

Wirtschaftliche Stellschrauben

1. Wahl des Vergleichsmaßstabs

Eine grundlegende wirtschaftliche Entscheidung liegt in der Wahl des Benchmarks. Welcher Wert soll in welcher Frist übertroffen werden? Recht simpel wäre die Anforderung, dass der Gewinn des Geschäftsjahres nach dem Verkauf höher sein soll als des Geschäftsjahres vor dem Verkauf. Sofern sich die Bedingung auf mehrere Jahre bezieht, stellt sich die Frage, ob der Benchmark stets gleich bleiben oder sich Jahr für Jahr verschieben soll. Bei volatilen Geschäftsmodellen und dem gegenseitigen Verständnis der Parteien, dass der Earn Out nur bei echtem Wachstum gezahlt werden soll, ist eine Mehrjahresbetrachtung samt wachsender Basis nötig.

2. Art und Konsequenz der Bedingung

Der Bedingungseintritt für den Earn Out kann als Stufe oder kontinuierlich und mit den unterschiedlichsten Bezugsgrößen ausgestaltet werden. Hängt der künftige wirtschaftliche Erfolg des Zielunternehmens maßgeblich vom Eintritt oder Nichteintritt eines singulären Ereignisses wie etwa einer Patentanmeldung, einer Gerichtsentscheidung oder einer Medikamentenzulassung ab, kann bereits die Stufenlösung mit nur einer Bedingung als Brücke ausreichen. Bei Anknüpfung an Umsatz, Gewinn oder Kursentwicklung findet sich der Verkäufer dagegen in der unschönen Situation zwar nicht mehr das Sagen zu haben, aber trotzdem noch am Unternehmens(miss-)erfolg zu partizipieren. Dies dürfte ihm nur selten in größerem Umfang tragbar sein. Wie weiter unten erläutert hat die Wahl der Bezugsgröße zudem steuerliche Bedeutung.

3. Festlegung der wirtschaftlichen Vorleistung

Beim Earn Out geht der Verkäufer insofern in Vorleistung, dass er auf einen Teil des erhofften Gesamtkaufpreises zunächst verzichtet, obwohl er die Anteile bzw. Wirtschaftsgüter dem Käufer bereits überträgt. Folglich sollte der Käufer Maßnahmen treffen, um die tatsächliche Auszahlung der zweiten Kaufpreistranche sicherzustellen. Die Hinterlegung des als Earn Out erwarteten Kaufpreisbestandteils auf einem Treuhandkonto kann eine solche Sicherungsmaßnahme sein. Ist die Unsicherheit über die Solvenz oder künftige Zahlungswilligkeit des Käufers nach Wahrnehmung des Verkäufers zu groß, so kann er den Spieß umdrehen und statt eines Earn Outs einen sogenannten Claw Back vorsehen. Beim Claw Back erhält der Verkäufer sofort den gesamten Kaufpreis und der Käufer erhält seinerseits das Recht bei Eintritt vereinbarter Bedingungen einen Teil davon zurückzufordern. Nun ist es der Verkäufer, der auf Sicherungsmaßnahmen angewiesen ist.

Steuerliche Stellschrauben

1. Wahl der Bezugsgröße

Steuerlich hängt die Beurteilung des Earn Outs maßgeblich von der Art der Bezugsgröße ab. Grundsätzlich wirkt der Earn Out steuerlich auf den ursprünglichen Verkaufszeitpunkt zurück. In mehreren Urteilen der letzten Jahre hat der Bundesfinanzhof davon jedoch eine Ausnahme festgelegt: Wenn nicht nur die Entstehung des Earn Outs, sondern auch dessen Höhe von künftigen Ereignissen abhängt, dann entfaltet die Earn Out Zahlung keine steuerliche Rückwirkung. Ein solcher Ausnahmefall findet sich beispielsweise in der proportionalen Anknüpfung der Earn Out Zahlung an Gewinne oder Umsätze der künftigen Jahre. Der BFH begründet dies damit, dass der Verkäufer bei einer derartigen Ausgestaltung zwar nicht mehr rechtlich, aber doch wirtschaftlich am Unternehmen beteiligt bleibe. Die steuerlichen Konsequenzen für den Verkäufer können, wie im Folgenden beschrieben, massiv sein.

2. Earn Out mit vs. ohne steuerliche Rückwirkung

Im Grundsatzfall mit steuerlicher Rückwirkung der Earn Out Zahlung…

  • gilt das Steuerrecht des ursprünglichen Verkaufszeitpunkts,
  • besteht bei Closing der Transaktion Rechtssicherheit über die Steuerlast und
  • ist eine Verrechnung mit vergangenen Verlusten möglich.

Im Ausnahmefall ohne steuerliche Rückwirkung der Earn Out Zahlung dagegen...

  • gilt das noch unbekannte Steuerrecht des späteren Auszahlungszeitpunkts,
  • wird die Steuerzahlung ohne Verzinsung auf den späteren Zeitpunkt gestundet und
  • ist eine Verrechnung nur mit aktuellen Verlusten und Verlustvorträgen möglich.

3. Begünstigungsnormen beim Unternehmensverkauf

In § 16 Abs. 4 EStG und § 34 Abs. 3 EStG finden sich Begünstigungsnormen für die Besteuerung beim Unternehmensverkauf. Während ersterer nur bei sehr kleinen Transaktionen mit Veräußerungsgewinnen bis 181 TEUR von Relevanz ist, bewirkt letzterer potenziell nahezu eine Halbierung der Steuerlast auf bis zu 5 Mio. € des Veräußerungsgewinns. Die für Veräußerer „nur einmal im Leben“ zur Verfügung stehenden Vergünstigungen erfordern allerdings grds. die Veräußerung des gesamten Gewerbebetriebs. Somit geschieht die zusammengeballte Realisierung der stillen Reserven in einem einzigen Zeitpunkt. Eine Verteilung auf mehrere Zeitpunkte ist nicht vorgesehen. Dies kann zum Problem werden, wenn ein materiell bedeutsamer Earn Out steuerlich nicht auf den Zeitpunkt der fixen Kaufpreiszahlung zurückwirkt.

 

In Summe ist der Earn Out ein schönes Instrument um Verkäufer und Käufer im Angesicht der Unsicherheit und der verfahrensbedingten Gegensätze zusammen zu bringen. Bei aller Freude über den so ermöglichten Abschluss gilt es die wirtschaftlichen und steuerlichen Konsequenzen genau im Blick zu behalten.

 

Unser nächster Beitrag aus der M&A Reihe zum Thema "Herausforderungen bei Tech-Transaktionen" erscheint nächste Woche.