Hintergründe

Deutsche Unternehmen sollen nach dem Willen des Gesetzgebers zukünftig mehr Verantwortung für ihre Zulieferer tragen. Grundlage dafür soll das „Gesetz über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten für Lieferketten“, kurz „Lieferkettengesetz“ bilden. Das Gesetz soll unter anderem Kinderarbeit, Zwangsarbeit und mangelnde Sicherheitsstandards in der Lieferkette verhindern und auch umweltbezogenen Risiken vorbeugen. Basis für das Gesetzesvorhaben sind die Leitprinzipien für Wirtschaft und Menschenrechte der Vereinten Nationen mit dem Nationalen Aktionsplan für Wirtschaft und Menschenrechte von 2016.

Status quo des Gesetzesvorhabens

  • Februar 2021 - Vorlage des Referentenentwurfs
  • März 2021 - Beschlussfassung der Bundesregierung über den aktuellen Gesetzesentwurf (im Folgenden auch „RegE“)
  • April 2021 – erste Lesung im Bundestag mit Beratung zum aktuellen Gesetzesentwurf
  • Ausblick: nach Aussage des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales soll der Gesetzesentwurf noch bis zum Ende dieser Legislaturperiode verabschiedet werden .

Welche Unternehmen sollen vom Lieferkettengesetz erfasst werden?

Nach dem aktuellen Regierungsentwurf sollen folgende Unternehmen vom Lieferkettengesetz erfasst werden:

  • Personen- und Kapitalgesellschaften nach deutschem oder ausländischem Recht
  • mit Hauptverwaltung, Hauptniederlassung, Verwaltungssitz oder Satzungssitz in Deutschland und
  • mit (im Gesamtkonzern) mindestens 3.000 Mitarbeitern (ab 1. Januar 2023), beziehungsweise 1.000 Mitarbeitern (ab 1. Januar 2024).

Welche Pflichten sollen die Unternehmen nach dem Lieferkettengesetz treffen?

Wesentlicher Gegenstand des Lieferkettengesetzes ist die Einführung von menschenrechtlichen und umweltbezogenen Sorgfaltspflichten. Insbesondere haben die Unternehmen ein Risikomanagement zur Überwachung der Lieferkette einzurichten, das heißt:

  • Die Unternehmen sollen menschrechtsbezogene und umweltbezogene Risiken im eigenen Geschäftsbetrieb, bei unmittelbaren Zulieferern mindestens einmal im Jahr sowie zusätzlich anlassbezogen ermitteln (Risikoanalyse). Bei mittelbaren Zulieferern besteht die Pflicht zur Risikoanalyse nur anlassbezogen, wenn das Unternehmen substantiierte Kenntnis von einer möglichen Pflichtverletzung bei mittelbaren Zulieferern erlangt.
  • Wenn Risiken festgestellt werden, müssen die Unternehmen entsprechende Präventionsmaßnahmen ergreifen. Bei festgestellten Pflichtverletzungen müssen sie Abhilfemaßnahmen einleiten. Als ultima ratio kann der Abbruch von Geschäftsbeziehungen erforderlich werden.

Unternehmensintern müssen die Unternehmen festlegen, wer das Risikomanagement zu überwacht, etwa indem sie Menschenrechtsbeauftragte benennen. Die Unternehmen müssen die Einhaltung der Sorgfaltspflichten dokumentieren und die Dokumentation für eine Zeit von sieben Jahren aufbewahren. Dies dient der Schaffung einer informatorischen Grundlage für die öffentlich-rechtliche Durchsetzung der Sorgfaltspflichten. Die Unternehmen sollen zudem verpflichtet werden, jährlich einen öffentlich zugänglichen Bericht über die tatsächlichen und potenziell nachteiligen Folgen ihres Tätigwerdens vorzulegen. Die Unternehmen müssen Beschwerdeverfahren für Personen einrichten, die unmittelbar betroffen sind oder Kenntnis von Verstößen haben.

Zusätzlich müssen die Leitungsebenen der Unternehmen Grundsatzerklärungen zu ihrer Menschenrechtsstrategie verabschieden und (ausweislich der Gesetzesbegründung) gegenüber den Beschäftigten, den unmittelbaren Zulieferern und der Öffentlichkeit kommunizieren. Das Gesetz konstatiert lediglich eine Bemühenspflicht der Unternehmen. Ein Erfolg der Maßnahmen – etwa in Form einer vollständigen und korrekten Ermittlung oder der erfolgreichen Verhinderung oder Beseitigung sämtlicher Risiken – ist grundsätzlich nicht geschuldet.

Sämtliche Pflichten der Unternehmen stehen unter einem Angemessenheitsvorbehalt. Dieser soll den Unternehmen einen ausreichenden Ermessens- und Handlungsspielraum einräumen. Je näher das Unternehmen der drohenden oder bereits eingetretenen Verletzung steht und je mehr es dazu beiträgt, desto größer müssen jedoch seine Anstrengungen sein, die Verletzung zu verhindern oder zu beenden.

Sanktionen und Haftung nach dem Lieferkettengesetz

Bei Verstößen kann die zuständige Aufsichtsbehörde (Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle) Zwangsgelder in Höhe von bis zu EUR 50.000 sowie Bußgelder in Höhe von bis zu 2 % des weltweiten Jahresumsatzes verhängen. Außerdem droht den betroffenen Unternehmen der Ausschluss von der öffentlichen Auftragsvergabe ab Geldbußen von EUR 175.000.

Eine zivilrechtliche Haftung der Unternehmen gegenüber Betroffenen ist dagegen nicht vorgesehen.

Kritik am Lieferkettengesetz

Das Lieferkettengesetz ist auf deutliche Kritik bei Oppositionsparteien, Interessenverbänden und Initiativen deutscher Unternehmen gestoßen. Die Kritik entzündet sich vor allem daran, dass der Gesetzentwurf auf mehreren Ebenen hinter dem Eckpunktepapier zum Sorgfaltspflichtengesetz zurück bleibt. Daneben wird insbesondere kritisiert, dass keine zivilrechtlichen Anspruchsgrundlagen Betroffener gegen die Unternehmen, wegen Verstößen gegen das Gesetz (keine „Wiedergutmachung“) vorgesehen sind.

Wie geht es weiter?

Nach aktuellem Stand soll das Lieferkettengesetz noch in dieser Legislaturperiode verabschiedet werden. Es ist zu erwarten, dass auch die EU zukünftig tätig und Regelungen zu Lieferketten einführen wird. Das Thema „Verantwortlichkeit entlang der Lieferkette“ wird also weiter an Bedeutung gewinnen.