Die OECD hat ihre konkreten Vorstellungen bezüglich einer globalen Mindestbesteuerung für Unternehmensgruppen mit einem Umsatz von mehr als 750 Mio. Euro bekanntgegeben (Global Anti-Base Erosion Proposal, GloBE, im Blog). Die GloBE Model Rules der OECD sehen vor, dass ausländische GloBE Rules (Income Inclusion Rule, Undertaxed Payments Rule) dann nicht zur Anwendung gelangen, wenn entweder die effektive Besteuerungsquote ohnehin über 15 % liegt oder diese Mindestbesteuerung mittels einer Ergänzungssteuer (sog. Qualified Domestic Top-up Tax) sichergestellt wird.

 

Der Schweizer Bundesrat veröffentlichte am 23. Juni 2022 einen Entwurf über die Einführung einer OECD-konformen Ergänzungssteuer. Sie soll die bundesweite Mindestbesteuerung in der Schweiz gewährleisten und die Anwendung der ausländischen GloBE Rules abbedingen. Auf diesem Weg wird Rechtsicherheit für die Steuerpflichtigen geschaffen und zugleich das ansonsten im Ausland zu entrichtende Steuersubstrat im Inland vereinnahmt. Die Ergänzungssteuer soll allein Unternehmensgruppen mit einem Umsatz von mehr als 750 Mio. Euro betreffen, die auch in den Anwendungsbereich der GloBE fallen.

Kantonale Besteuerung

Entsprechend der föderalistisch geprägten Finanzverfassung der Schweiz werden Ertragsteuern neben dem Bund auch von den Kantonen und Gemeinden erhoben. Der Bund ist berechtigt, bestimmte Regelungsbereiche der kantonalen Besteuerung zu harmonisieren (Art. 129 Abs. 2 der Schweizer Bundesverfassung – BV). Davon unberührt bleiben die kantonalen Steuertarife, -sätze und -freibeträge. Das betrifft auch die Gewinnsteuer für juristische Personen, die mit der deutschen Körperschaftsteuer vergleichbar ist. Die gesamte Gewinnsteuerbelastung aus Bundes-, Kantons- und Gemeindesteuern liegt regelmäßig unter 25 % (Niedrigsteuerschwelle der deutschen Hinzurechnungsbesteuerung) und in vielen Kantonen unter 15 % (Niedrigsteuerschwelle der GloBE).

 

Im Hinblick auf die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung und andere ausländische CFC-Regime haben verschiedene Kantone sog. flexible Gewinnsteuersätze eingeführt. Läuft ein Steuerpflichtiger Gefahr, im Ausland der Hinzurechnungsbesteuerung unterworfen zu werden, erhöhen die kantonalen Steuerbehörden den Gewinnsteuersatz auf das im Ausland geforderte Mindestmaß. Entsprechende Regelungen kennen die Kantone Luzern, Nidwalden, Schwyz und Uri (automatische Anpassung) sowie Genf, Graubünden, Jura, Tessin, Thurgau, Waadt und Zug (antragsgebundene Anpassung).

 

Einen vergleichbaren Ansatz sieht der Bundesgesetzgeber nun für Zwecke der GloBE vor. Die Aussicht auf eine bundeseinheitliche Lösung würdigt dabei die staatenbezogene Betrachtung der GloBE. Die Ausgestaltung sowie den Ablauf zur Einführung der Ergänzungssteuer hat der Bundesrat in seinem Entwurf über einen Bundesbeschluss vom 23. Juni 2022 aufgezeigt:

Verfassungsänderung

Der Bund allein kann mittels der direkten Bundessteuer keine OECD-konforme Mindestbesteuerung sicherstellen, da der nominale Gewinnsteuersatz auf 8,5 % begrenzt ist (Art. 128 Abs. 1 BV). Auch kann er aufgrund seiner eingeschränkten Harmonisierungskompetenz nicht in die kantonalen Steuersätze eingreifen. Nicht zuletzt verstößt die Sonderbesteuerung großer Unternehmensgruppen gegen den Grundsatz der gleichmäßigen Besteuerung (Art. 8 Abs. 1 i.V.m. Art. 127 Abs. 2 BV). Aus diesen Gründen bedarf es einer Verfassungsänderung.

 

Der Bundesrat sieht dafür die Einführung eines neuen Art. 129a BV vor. Dem Bundesgesetzgeber soll es fortan erlaubt sein, eine „Besondere Besteuerung großer Unternehmensgruppen“ vorzunehmen, soweit sich diese an „internationalen Standards und Vorschriften“ orientiert. Zu diesem Zweck soll der Bund gem. Art. 129a Abs. 3 BV-E von den vorgenannten Besteuerungsgrundsätzen abweichen dürfen (gleichmäßige Besteuerung, Leistungsfähigkeitsprinzip, Maximalsteuersatz der direkten Bundessteuer, Harmonisierungskompetenz). Demzufolge soll der Bund weiter in die kantonale Besteuerung eingreifen dürfen, soweit davon Unternehmensgruppen im Anwendungsbereich der GloBE betroffen sind.

Verordnung und Bundesgesetz

Auf die Verfassungsänderung soll zunächst eine vorübergehende Verordnung folgen, die eine bundesweite Mindestbesteuerung ab 1. Januar 2024 möglich macht. Die Inhalte der Verordnung sind in Art. 197 Nr. 15 BV-E bestimmt. Weitere Detailfragen zur Ergänzungssteuer sollen parallel zur sodann geltenden Verordnung geklärt werden und in einem Bundesgesetz münden. Dieses wird im Wesentlichen Änderungen im Gesetz über die direkte Bundessteuer (DBG) sowie im Steuerharmonisierungsgesetz (StHG) beinhalten. Die Verordnung dürfte dabei als Blaupause dienen, sodass Art. 197 Nr. 15 BV-E schon heute einen ersten Einblick in die zukünftige Ergänzungssteuer gibt.

Fazit und Auswirkungen auf die Hinzurechnungsbesteuerung

Die Wirkung kantonaler Gewinnsteuersatzerhöhungen auf die Hinzurechnungsbesteuerung wurde im Schrifttum bereits kontrovers diskutiert. Die Ergänzungssteuer des Bundes, die zu einer effektiven Mindestbesteuerung von 15 % führt, wird indes die deutsche Hinzurechnungsbesteuerung mit ihrer geforderten Steuerquote von 25 % augenscheinlich nicht berühren. Gleichwohl ist nicht auszuschließen, dass der deutsche Gesetzgeber die Niedrigsteuerschwelle der Hinzurechnungsbesteuerung im Zuge des GloBE-Projekts von 25 % auf 15 % absenken wird. In Verbindung mit der schweizerischen Mindestbesteuerung würde dies bedeuten, dass die Hinzurechnungsbesteuerung für Sachverhalte mit Bezug zur Schweiz an Bedeutung verliert.