Mit Austritt der UK aus der Europäischen Union (EU) zum 1. Januar 2021 gelten sämtliche Rechte und Pflichten der UK aus den EU-Verträgen nicht mehr. Dies betrifft auch die Niederlassungsfreiheit gemäß Art. 49, 54 AEUV. Die Gesellschafter vieler UK Limited Company (Limited) mit Verwaltungssitz in Deutschland haben in den letzten Jahren vorgesorgt. Durch Sitzverlegung, Umwandlung oder Anwachsungsmodelle haben sie einen Zuzug der Gesellschaft mit Registereintragung in Deutschland erreicht. Es gibt aber immer noch viele Gesellschaften, bei denen die Gesellschafter nicht aktiv geworden sind oder gehofft hatten, dass sich die offenen Rechtsfragen im Austrittsabkommen oder im Freihandelsabkommen zwischen der EU und der UK regeln. Was wird jetzt aus ihnen?

Berufung auf Niederlassungsfreiheit

Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland konnten sich bis zum 1. Januar 2021 im Hinblick auf ihre Anerkennung in Deutschland auf die Niederlassungsfreiheit berufen (europäische Gründungstheorie). Der BGH hat mittlerweile entschieden, dass ein Berufen auf die Niederlassungsfreiheit nur möglich ist, wenn zum Zeitpunkt der Inanspruchnahme der Gründungsstaat weiterhin Mitgliedsstaat der EU ist. Eine Berufung auf die Niederlassungsfreiheit ist also nach dem Austritt der UK aus der EU grundsätzlich nicht mehr möglich (BGH-Urteil vom 16. Februar 2021, II ZB 25/17).

Schutz durch Freihandelsabkommen

Es wird kontrovers diskutiert, ob das Abkommen über Handel und Zusammenarbeit zwischen der EU und der UK und Nordirland (EU-UK Trade and Cooperation Agreement – TCA, L 149/11 vom 30. April 2021) die Niederlassungsfreiheit für die Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland fortdauern lässt. Ein Teil der Literatur bejaht dies unter Verweis auf die in der Vereinbarung festgelegten Pflichten zur Inländerbehandlung und Meistbegünstigung. Dem wird insbesondere entgegengehalten, dass die entsprechenden Regelungen explizit nur den Verkehr mit Handelsgütern und Dienstleistungen regeln. Der Niederlassungsfreiheit als weitere regelungsbedürftige Grundfreiheit sei demgegenüber bewusst kein gesonderter Themenkomplex gewidmet. Deshalb könne man nicht davon ausgehen, dass die Regelungen des TCA auch auf die Niederlassungsfreiheit Anwendung finden, insbesondere wenn die Gesellschaft keine wesentliche Tätigkeit in den UK entfalte. Dieses Argument ist nicht von der Hand zu weisen.

 

Bis der BGH die Frage endgültig geklärt hat, wird man in der Praxis vorsichtshalber davon ausgehen müssen, dass eine Anerkennung in Deutschland nach dem TCA nicht gesichert ist. Entsprechend haben auch mehrere Registergerichte begonnen, die Eintragung der deutschen Zweigniederlassung englischer Limited von Amts wegen gemäß § 395 FamFG wegen des Wegfalls der Voraussetzungen zu löschen.

Folgen aufgrund der Sitztheorie

Das deutsche Gesellschaftsrecht folgt traditionell der Sitztheorie, soweit nicht - wie insbesondere mit den USA und Kanada - spezielle internationale Übereinkommen getroffen wurden. Nach der Sitztheorie findet auf eine Gesellschaft das Recht des Staates Anwendung, in dem diese ihren tatsächlichen Verwaltungssitz hat. Demgegenüber folgt die UK traditionell der Gründungstheorie, nach der das Recht des Gründungsstaates unabhängig vom tatsächlichen Verwaltungssitz der Gesellschaft maßgeblich ist.

 

Schützt das TCA die Anerkennung der Limited in Deutschland nicht, unterliegen Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland nach Wegfall der Niederlassungsfreiheit aus Sicht des deutschen Rechts grundsätzlich dem deutschen Gesellschaftsrecht. Allerdings erfüllen sie nicht die Gründungsvoraussetzungen einer deutschen Kapitalgesellschaft. Diese Gesellschaften wären somit als Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) oder Offene Handelsgesellschaft (OHG) zu qualifizieren, je nachdem ob die Gesellschaft einen in kaufmännischer Weise eingerichteten Geschäftsbetrieb benötigt. In allen Fällen haftet der bisherige Gesellschafter der Limited unbeschränkt für die Verbindlichkeiten der Gesellschaft.

Besonderheit bei Einpersonengesellschaften

Anders als eine Kapitalgesellschaft bedarf es bei GbR und OHG als Personengesellschaften zwingend mindestens zwei Gesellschafter. Sollte die Limited bisher nur einen Gesellschafter gehabt haben, wird die Gesellschaft nach deutschem Gesellschaftsrecht automatisch aufgelöst. Das Gesellschaftsvermögen wächst dann beim einzigen Gesellschafter an. Schützt das TCA die Anerkennung der Limited nicht, wäre aus Sicht des deutschen Rechts eine solche Anwachsung bereits zum 1. Januar 2021 erfolgt. Aus Sicht des englischen Rechts wäre gegebenenfalls eine ergänzende (dingliche) Übertragung aller Aktiva und Passiva erforderlich. Die Auflösung der Gesellschaft und Anwachsung des Vermögens beim Alleingesellschafter kann zudem potenziell nachteilige steuerliche Folgen haben. Es bleibt abzuwarten, ob die Finanzämter diese Position einnehmen werden, da die Gesellschaft aus Sicht des Englischen Rechts aufgrund der Registereintragung weiterhin als UK Limited anerkannt ist.

Praktische Handhabung

Gesellschafter einer Limited mit Verwaltungssitz in Deutschland sollten vorsorglich jetzt handeln und bestehende Rechtsunsicherheit schnellstmöglich beseitigen. Auf die Regelungen zur grenzüberschreitenden Verschmelzung und den grenzüberschreitenden Formwechsel kann nach dem Brexit nicht mehr zurückgegriffen werden. Es besteht aber insbesondere weiterhin die Möglichkeit eines Asset Deals mit nachfolgender Abwicklung der Limited. Bei Gesellschaften mit nur einem Gesellschafter, bei denen eine Anwachsung des Gesellschaftsvermögens an den einzigen Gesellschafter im Raum steht, sollte der bisherige Gesellschafter zusätzlich Partei des Vertrages sein und vorsorglich ebenfalls die Vermögensgegenstände übertragen.