Ertragsteuerliche Organschaft: Heilungsregelung bei einem IFRS-Konzernabschluss

19.09.2022 | FGS Blog

Überblick

Bei der ertragsteuerlichen Organschaft verpflichtet sich die jeweilige Organgesellschaft gemäß § 14 Abs. 1 Satz 1 KStG durch einen Gewinnabführungsvertrag (GAV) i.S.d. § 291 Abs. 1 AktG dazu, ihren ganzen Gewinn an den Organträger abzuführen. Umgekehrt ist ein sonst entstehender Jahresfehlbetrag auszugleichen (vgl. § 302 AktG).

Voraussetzung für den Gewinnabführungsvertrag ist, dass dieser für eine Mindestlaufzeit von fünf Jahren abgeschlossen und während seiner gesamten Geltungsdauer durchgeführt wird (§ 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 1 KStG). Eine fehlende tatsächliche Durchführung des GAV führt zur steuerlichen Aberkennung des Organschaftsverhältnisses für das betreffende Jahr oder (während der Mindestlaufzeit) von Beginn an. Bilanzierungsfehler auf einer unteren Konzernebene können im Ergebnis zu nicht steuerlich durchgeführten GAV entlang der Beteiligungskette bis hin zum obersten Organträger führen.

Heilungsregelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 und 5 KStG

Ist wegen eines Bilanzierungsfehlers nicht der ganze Gewinn abgeführt oder der ganze Verlust ausgeglichen worden, ist zu prüfen, ob die tatsächliche Durchführung des GAV dennoch zu „retten“ ist. Der GAV gilt nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 und 5 KStG auch dann als durchgeführt,

„wenn der abgeführte Gewinn oder ausgeglichene Verlust auf einem Jahresabschluss beruht, der fehlerhafte Bilanzansätze enthält, sofern

  1. a) der Jahresabschluss wirksam festgestellt ist,
  2. b) die Fehlerhaftigkeit bei Erstellung des Jahresabschlusses unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkannt werden müssen und
  3. c) ein von der Finanzverwaltung beanstandeter Fehler spätestens in dem nächsten nach dem Zeitpunkt der Beanstandung des Fehlers aufzustellenden Jahresabschluss der Organgesellschaft und des Organträgers korrigiert und das Ergebnis entsprechend abgeführt oder ausgeglichen wird, soweit es sich um einen Fehler handelt, der in der Handelsbilanz zu korrigieren ist.

Die Voraussetzung des Satzes 4 Buchstabe b gilt bei Vorliegen eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks nach § 322 Absatz 3 des Handelsgesetzbuchs zum Jahresabschluss, zu einem Konzernabschluss, in den der handelsrechtliche Jahresabschluss einbezogen worden ist, oder über die freiwillige Prüfung des Jahresabschlusses oder der Bescheinigung eines Steuerberaters oder Wirtschaftsprüfers über die Erstellung eines Jahresabschlusses mit umfassenden Beurteilungen als erfüllt.“

Nach § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 5 KStG gilt bei Vorliegen eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks also ein Vertrauensschutz, welcher die tatsächliche Durchführung des GAV fingiert. Grundlage ist zunächst ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk nach
§ 322 Abs. 3 HGB zum Jahresabschluss (Einzelabschluss) der Organgesellschaft. Darüber hinaus genügt dem Gesetzeswortlaut nach auch ein uneingeschränkter Bestätigungsvermerk zu einem „Konzernabschluss, in den der handelsrechtliche Jahresabschluss einbezogen worden ist“. Die tatsächliche Prüfung des einbezogenen Jahresabschlusses der Organgesellschaft durch den jeweiligen Abschlussprüfer ist kein Kriterium für die Wirkung der Fiktion. Maßgeblich ist ausschließlich, dass der handelsrechtliche Jahresabschluss der Organgesellschaft in den geprüften Konzernabschluss einbezogen wurde. Es muss sich bei dem geprüften Konzernabschluss nicht um einen Abschluss auf Organträger-Ebene handeln. Auch ein höherstufiger Konzernabschluss genügt.

Heilungswirkung auch bei einem IFRS-Konzernabschluss?

Da Konzernabschlüsse in der Praxis häufig nicht nach dem Regelwerk des HGB, sondern nach IFRS aufgestellt werden, stellt sich die Frage der Anwendbarkeit der Heilungsregelung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 5 KStG bei Vorliegen eines IFRS-Konzernabschluss. Dem Gesetzeswortlaut ist nicht eindeutig zu entnehmen, ob es sich um einen HGB-Konzernabschluss handeln muss oder ob auch ein Konzernabschluss nach internationalen Rechnungslegungsstandards ausreichend ist. In der Literatur gibt es sowohl Stimmen dafür, dass ein IFRS-Konzernabschluss genügt, als auch gegenteilige Meinungen.

Verfügung OFD Frankfurt vom 04. Januar 2022

Die ablehnende Literaturmeinung wurde Anfang des Jahres mit Verfügung der OFD Frankfurt vom 04. Januar 2022 (OFD Frankfurt/M. vom 04.01.2022 – S 2770 A-55-St 55, Nr. 1.3) durch die Finanzverwaltung bestätigt. Darin heißt es, dass die Fiktion des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 5 KStGnicht im Falle eines Bestätigungsvermerks zu einem nach IFRS-Vorschriften erstellten Konzernabschluss, in welchem aufgrund der Befreiungsvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB kein handelsrechtlicher Jahresabschluss einbezogen wurde,“ gelte. In der Verfügung wird explizit darauf hingewiesen, dass dieser Auffassung eine Erörterung zwischen Vertretern des Bundes und der Länder zugrunde liegt, weshalb der Geltungsbereich dieser Auffassung nicht auf Hessen beschränkt sein dürfte. Ob weitere Bundesländer diese Rechtsauffassung in separaten Verfügungen verschriftlichen, bleibt abzuwarten.

Fazit

Die Fiktion des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 4 und 5 KStG stellt eine wichtige Möglichkeit dar, bei fehlerhaften Bilanzansätzen im Jahresabschluss einer Organgesellschaft die Durchführung des GAV und somit die Anerkennung der Organschaft zu „retten“. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Korrektur des Fehlers „an der Wurzel“ nicht möglich oder nicht praktikabel ist.

Während bei Vorliegen eines uneingeschränkten Bestätigungsvermerks zu einem nach handelsrechtlichen Vorschriften aufgestellten Konzernabschluss, in den der Abschluss der Organgesellschaft einbezogen wurde, eine Fiktion der Nichterkennbarkeit des jeweiligen Bilanzierungsfehlers gilt, dürfte dies bei IFRS-Konzernabschlüssen nach jetzt ausdrücklich geäußerter Auffassung der Finanzverwaltung nicht der Fall sein.

Zwar kann der Steuerpflichtige auf andere Weise den Nachweis erbringen, dass er den Fehler unter Anwendung der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns nicht hätte erkennen müssen. Jedoch dürfte diese Option deutlich risikobehafteter sein, da es sich hier um Einzelfallentscheidungen handelt. Um sich hinsichtlich der Fiktionswirkung des § 14 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 Satz 5 KStG auf „sicherem Terrain“ zu bewegen, ist ggf. zu überlegen, die jeweiligen HGB-Einzelabschlüsse der Organgesellschaften trotz der Befreiungsvorschrift des § 264 Abs. 3 HGB separat prüfen zu lassen.