EuGH-Urteil: Umsatzsteuersätze für Vergnügungsparks und Jahrmärkte

21.09.2021 | FGS Blog
Dr. Alena Kirchinger

Sowohl Vergnügungsparks als auch Jahrmärkte dienen einem breiten Spektrum der Bevölkerung generell und einheitlich der „Vergnügung“. Diese Unterhaltungsangebote sollen – ganz einfach gesprochen – schlichtweg Spaß machen. Aus umsatzsteuerrechtlicher Perspektive ist das Vergnügen in Vergnügungsparks und auf Jahrmärkten wie es scheint gleichwohl zu unterscheiden. Dies hat insbesondere zur Konsequenz, dass nach dem nationalen Recht entweder der Regelsteuersatz von 19 % (§ 12 Abs. 1 UStG) oder der ermäßigte Steuersatz von 7 % (§ 12 Abs. 2 Nr. 7 UStG, § 30 UStDV) für entsprechende Leistungen zur Anwendung gelangt.

 

In diesem Sinne hatte der EuGH nunmehr auf eine Vorlage des FG Köln hin darüber zu entscheiden, ob es die etwaigen Unterschiede zwischen Leistungen von Vergnügungsparks einerseits und Jahrmärkten andererseits rechtfertigen, unterschiedliche Steuersätze anzuwenden (C-406/20). Die Frage ist nicht ganz neu und war vom BFH im Jahr 2018 dahingehend beantwortet worden, dass der nationale Gesetzgeber Vergnügungsparks von der Anwendung des ermäßigten Steuersatzes ausnehmen durfte (V R 6/16).

Entscheidungsgrundlage

Die Vorlage des FG Köln beruhte maßgeblich auf einem Verfahren, das den Rechtsstreit zwischen dem Freizeitpark Phantasialand und dem Finanzamt Brühl über die Anwendung des richtigen Umsatzsteuersatzes zum Gegenstand hatte. Phantasialand erbringt umsatzsteuerpflichtige Leistungen im Zusammenhang mit der Zahlung von Eintrittsgeldern durch Besucherinnen und Besucher des Freizeitparks. Phantasialand war der Ansicht, dass die Leistungen mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG zu besteuern seien. Nach dieser Norm ermäßigt sich der Steuersatz auf 7 % bei Umsätzen, die sich aus den Leistungen der Tätigkeit als Schausteller ergeben.

 

Der Freizeitpark argumentierte, dass ein Verstoß gegen den Grundsatz der steuerlichen Neutralität vorläge, sofern man ortsungebundene Schausteller mit dem ermäßigten Steuersatz gemäß § 12 Abs. 2 Nr. 7 Buchst. d UStG und ortsgebundene Schausteller wie das Phantasialand mit dem Regelsteuersatz besteuere. Dieser Ansicht folgte das Finanzamt nicht, lehnte einen entsprechenden Antrag des Unternehmens ab und wies auch einen daraufhin erhobenen Einspruch zurück. Dabei verwies es im Kern auf das bereits angeführte Urteil des BFH, in welchem die Steuerermäßigung denjenigen Schaustellungsunternehmen versagt wurde, welche dauerhaft nur an einem spezifischen Ort agieren.

Inhalt des EuGH-Urteils

Der EuGH war nunmehr dazu aufgerufen zu prüfen, ob Art. 98 in Verbindung mit Anhang III Nr. 7 MwStSystRL einer Regelung wie der deutschen Vorschrift entgegensteht, welche ortsgebundene und ortsungebundene Schausteller im Hinblick auf den anzuwenden Umsatzsteuersatz unterschiedlich behandelt. Dabei eröffnet Art. 98 Abs. 1 MwStSystRL den Mitgliedstaaten ganz grundsätzlich die Möglichkeit ermäßigte Steuersätze einzuführen, wobei Absatz 2 Unterabsatz 1 der Norm die Anwendung der Ermäßigung auf bestimmte Dienstleistungen beschränkt. In Bezug auf Jahrmärkte und Vergnügungsparks ermöglicht Anhang III Nr. 7 MwStSystRL explizit die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes auf die in diesem Zusammenhang erbrachten Leistungen.

 

Der EuGH stellte anknüpfend daran zunächst fest, dass sowohl nach der Systematik der MwStSystRL als auch nach dem Wortsinn von „Vergnügungsparks“ und „Jahrmärkten“ zwischen beiden Begriffen zu differenzieren sei. Dementsprechend obliege es im Grundsatz dem jeweiligen Mitgliedstaat, über den je Kategorie anzuwendenden Steuersatz zu entscheiden.

 

Dabei müsse aber der Grundsatz der steuerlichen Neutralität gewahrt werden. Nach ebendiesem Grundsatz dürfen gleichartige Leistungen nicht unterschiedlich besteuert werden. Dabei sei eine Gleichartigkeit anzunehmen, wenn (1) sich aus Sicht eines Durchschnittsverbrauchers die Leistungseigenschaften ähneln, (2) dieselben Bedürfnisse befriedigt werden und (3) Unterschiede zwischen den Leistungen die Entscheidungen des Verbrauchers nicht erheblich beeinflussen.

 

Das Gericht verwies sodann darauf, dass sich Leistungen von Vergnügungsparks und Jahrmärkten zwar insoweit ähnelten, als sie der Unterhaltung durch Schaustellerleistungen dienten. Jedoch bestünden qualitative Unterschiede zwischen Vergnügungsparks und Jahrmärkten, die die Entscheidung des Verbrauchers über seine Auswahl beeinflussten. So seien Jahrmärkte nur temporär verfügbar und oftmals Ausdruck eines lokalen Brauchtums. Sie unterlägen auch anderen rechtlichen Rahmenbedingungen, die eine erhebliche Unterscheidung begründeten. Der EuGH überlässt die finale Einordnung, ob der Grundsatz der Neutralität gewahrt ist, dem nationalen Gericht. Es klingt jedoch an, dass die MwStSystRL nach Auffassung des EuGH einer unterschiedlichen Umsatzbesteuerung von ortsgebundenen und ortsungebundenen Schaustellerleistungen nicht entgegensteht.

Erste Einordnung

Dreh- und Angelpunkt des Urteils des EuGH ist, wie zuletzt häufig bei den Regelungen über den ermäßigten Steuersatz, der Grundsatz der steuerlichen Neutralität. Bereits Ende 2019, als der EuGH darüber zu befinden hatte, ob der ermäßigte Steuersatz für die Vermietung von Campingplätzen auf die Vermietung von Bootsliegeplätzen anwendbar ist, war die Auswirkung dieses Grundsatzes die Kernfrage (C-715/18). Der BFH wiederum hatte beispielsweise in ähnlichem Gewand über die Anwendung des ermäßigten Steuersatzes für den Betreiber einer Skihalle zu entscheiden (V B 49/12).

 

Die angedeutete Ablehnung der Gleichartigkeit in der Rs. Phantasialand, die der EuGH aufgrund der Unterschiede von Vergnügungsparks und Jahrmärkten konstatiert, dürfte zu einer Bestätigung der bisherigen höchstrichterlichen nationalen Rechtsprechung führen. Gleichzeitig verdeutlicht das Urteil, dass bei der Anwendung der Regelungen zum ermäßigten Steuersatz nicht mehr zwingend der Wortlaut der jeweiligen Steuersatzermäßigung entscheidend ist. Kriegsentscheidend ist vielmehr regelmäßig die Vergleichbarkeit und Gleichartigkeit der Leistungen. Das Urteil stärkt damit die grundsätzliche Bedeutung des Grundsatzes der Neutralität.