Fehlerhafte Gesellschafterbeschlüsse in Personengesellschaften nach dem MoPeG

04.06.2020

Ein Kernstück des vom Bundesministerium der Justiz und für Verbraucherschutz vorgelegten Gesetzentwurf der Expertenkommission zur Modernisierung des Personengesellschaftsrechts (MoPeG – zum Überblick über den Entwurf) ist das geplante Beschlussmängelrecht. In §§ 714 bis 714e BGB-E soll für alle Personengesellschaften erstmals einheitlich die Beschlussfassung und die Geltendmachung von Beschlussmängeln geregelt werden. Anwendung finden sollen die einheitlichen Regelungen sowohl auf die Gesellschaft bürgerlichen Rechts als auch die offene Handelsgesellschaft, die (GmbH & Co.) KG und die Partnerschaftsgesellschaft.

Beschlussfassung der Gesellschafter

Die Beschlussfassung der Gesellschafter soll für alle Personengesellschaften einheitlich in § 714 BGB-E geregelt werden. Die bisher im Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts enthaltene Anknüpfung an die Geschäftsführung soll ebenso entfallen wie die bisher im HGB enthaltene Regelung zur Beschlussfassung in § 119 HGB.

 

Unverändert bleiben soll, dass grundsätzlich Beschlüsse nur mit Zustimmung aller stimmberechtigen Gesellschafter gefasst werden können. Mehrheitsentscheidungen sollen daher auch zukünftig nur zulässig sein, wenn die Gesellschafter dies vereinbaren. Mit der Regelung, dass „im Zweifel“ eine gesellschaftsvertragliche Mehrheitsklausel auch für die Änderung des Gesellschaftsvertrags gelten soll, wird klargestellt, dass es für den Bestimmtheitsgrundsatz keine Grundlage mehr gibt. Wünschenswert wäre, dass diese Klarstellung auch für die Fassung von Umwandlungsbeschlüssen aufgrund einer Mehrheitsklausel mit ¾-Mehrheit erfolgt. Damit könnte die erhebliche rechtliche Unsicherheit, ob eine allgemeine Mehrheitsklausel auch Umwandlungsbeschlüsse erfasst, beseitigt werden. (Zu den geplanten Änderungen im Umwandlungsrecht vgl. auch den Beitrag von Michael Erkens und Robert Fritz.)

 

Die Stimmkraft der Gesellschafter soll – soweit die Beteiligungsverhältnisse nicht gesondert vereinbart werden – dem Verhältnis der vereinbarten Werte der Beiträge entsprechen (§ 709 Abs. 3 BGB-E). Nur soweit die Beiträge der Gesellschafter nicht vereinbart wurden, hat jeder Gesellschafter die gleiche Stimmkraft.

 

Ein bestimmtes Beschlussverfahren sowie das Zustandekommen eines Beschlusses sollen – anders als bei der GmbH und der AG – auch weiterhin nicht gesetzlich geregelt werden. Da das Recht der Gesellschaft bürgerlichen Rechts auch Gelegenheitsgesellschaften erfasst und der Grundsatz der Einstimmigkeit fortgilt, ist dies konsequent. Für unternehmerisch tätige und auf Dauer angelegte Gesellschaften bleibt es daher dabei, dass eine Regelung im Gesellschaftsvertrag unerlässlich ist. Erwogen werden sollte, jedenfalls im HGB grundsätzliche Regelungen zur Beschlussfassung der Personenhandelsgesellschaften einzufügen.

Beschlussmängelrecht wird eingeführt

Die wesentliche Neuerung des Gesetzentwurfs ist die Einführung eines Beschlussmängelrechts in §§ 714a ff. BGB-E, das an das aktienrechtliche Beschlussmängelrecht angelehnt ist.

 

Nach aktueller Rechtslage sind Gesellschafterbeschlüsse in Personengesellschaften entweder wirksam oder nichtig. Die Wirksamkeit eines Beschlusses kann im Wege der Feststellungsklage gerichtlich überprüft werden. Das Gericht stellt auf Antrag eines Gesellschafters fest, ob der Beschluss wirksam oder nichtig ist.

 

Nach dem Entwurf des MoPeG soll künftig zwischen lediglich anfechtbaren und nichtigen Gesellschafterbeschlüssen unterschieden werden. Ein Gesellschafterbeschluss soll nur dann nichtig sein, wenn er durch seinen Inhalt Rechtsvorschriften verletzt, auf deren Einhaltung nicht verzichtet werden kann, oder auf Anfechtungsklage durch Urteil für nichtig erklärt worden ist. Das Gericht stellt die Nichtigkeit mit erga omnes-Wirkung fest. Das Urteil entfaltet daher – anders als derzeit ein etwaiges Feststellungsurteil – Wirkung für und gegen alle Gesellschafter. Konsequenterweise soll die Anfechtungs- und Nichtigkeitsklage künftig nach § 714d Abs. 2 BGB-E gegen die Gesellschaft zu richten sein.

Gerichtliche Geltendmachung von Beschlussmängeln

Die gerichtliche Geltendmachung fehlerhafter Gesellschafterbeschlüsse soll ebenfalls dem aktienrechtlichen System nachgebildet werden. Im Detail unterscheidet sich der Entwurf des MoPeG allerdings vom aktienrechtlichen Vorbild, da der Gesetzentwurf auf die unterschiedliche Realstruktur von Personen- und Aktiengesellschaften und die rechtsformspezifischen Besonderheiten der Personengesellschaften Rücksicht nimmt.

 

Zur Anfechtung eines Gesellschafterbeschlusses soll nach § 714b BGB-E jeder Gesellschafter befugt sein, der im Zeitpunkt der Beschlussfassung Gesellschafter war. Eine Teilnahme des Anfechtenden an der Beschlussfassung ist nicht erforderlich. Auch hängt die Anfechtungsbefugnis im Unterschied zum Aktienrecht nicht davon ab, dass der Gesellschafter dem Beschluss widersprochen hat. Das ist konsequent, da der Entwurf keine gesetzlichen Vorgaben zur förmlichen Feststellung des Beschlusses macht.

 

Anders als im Aktienrecht soll die Klagefrist für die Anfechtungsklage gemäß § 714c Abs. 1 BGB-E drei Monate ab Mitteilung oder Kenntnis des Beschlusses betragen. Eine Verkürzung der Frist auf weniger als einen Monat durch eine Vereinbarung im Gesellschaftsvertrag soll unwirksam sein.

 

Die Nichtigkeitsklage unterliegt keiner Frist, im Übrigen gelten für sie die gleichen Regelungen wie die Anfechtungsklage, § 714e BGB-E. Anders als die Anfechtungsklage ist sie aber nicht erforderlich, um die Nichtigkeit eines Gesellschafterbeschlusses geltend zu machen: Gemäß § 714a Abs. 2 Satz 2 BGB-E sind nichtige Beschlüsse auch ohne gerichtliche Geltendmachung unwirksam.

 

Eine besondere Regelung sieht der Gesetzentwurf für den Fall vor, dass Vergleichsverhandlungen geführt werden. In Anlehnung an § 203 BGB soll die Klagefrist für die Dauer von Vergleichsverhandlungen gemäß § 714c Abs. 3 BGB-E gehemmt sein. Dadurch können Klagen vermieden werden, die nur wegen des drohenden Ablaufs der Klagefrist erhoben werden.

Fazit

Das MoPeG bringt weitreichende Änderungen für die gesellschaftsrechtliche und prozessuale Praxis mit sich. Der Systemwechsel vom aktuell geltenden Nichtigkeitsdogma zum aktienrechtlichen Anfechtungsmodell ist zu begrüßen. Auch im Hinblick auf die Schiedsfähigkeit von Gesellschafterbeschlüssen bringt der Entwurf des MoPeG Klarheit (vgl. hierzu den Beitrag von Andreas Heinrich).