(Kein) Quellensteuerabzug für im Ausland entwickelte Software?

12.02.2021

Das Bundeskabinett hat am 3. Februar 2021 eine Änderung des Urheberechtsgesetzes (UrhG) zum 7. Juni 2021 beschlossen. Das Gesetz basiert auf der Richtlinie (EU) 2019/790 über das Urheberrecht im digitalen Binnenmarkt („DSM-Richtlinie“). Dadurch soll das Urheberrecht an den digitalen Binnenmarkt angepasst werden. Die Änderung regelt wichtige Themen, wie Text und Data Mining, Reproduktionen visueller Werke, Verantwortlichkeit von Plattformen und das Urhebervertragsrecht.

 

Daneben kommt es zu einer recht unscheinbaren Änderung im Abschnitt über Computerprogramme (§§ 69a ff. UrhG). Geändert wird § 69a Abs. 5 UrhG, der regelt, welche Normen auf Softwareentwickler anwendbar sind. Bisher wurden nur einzelne Normen, welche die Vergütung der Urheber betreffen, ausgenommen. Nach der Gesetzesänderung sind künftig umfassend die Vergütungsregelungen (§§ 32 bis 32g und 36 bis 36g UrhG) ausgeschlossen. Auch das Recht zur anderweitigen Verwertung nach zehn Jahren (§ 40a UrhG) und das Rückrufrecht wegen Nichtausübung (§ 41 UrhG) sind auf Entwickler von Software nicht mehr anwendbar.

Bedeutung für den Quellensteuerabzug nach § 50a EStG

Quellensteuerabzug beim deutschen Auftraggeber

Deutsche Unternehmen, die Verträge mit ausländischen Anbietern über die Entwicklung von Software schließen, können einem Steuerabzug nach § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG unterliegen. Die Steuer ist von beschränkt Steuerpflichtigen (dem ausländischen Entwickler bzw. Unternehmen) durch Steuerabzug zu erheben. Dazu muss es sich allerdings um Einkünfte handeln, die aus der Überlassung des Rechts auf Nutzung von Rechten entstehen. Hierzu können gewerbliche Schutzrechte oder Urheberrechte gehören.

 

Besondere Risiken bergen Verträge aus der Vergangenheit, für die ein Unternehmen fälschlich keine Quellensteuer bei der Zahlung der Vergütung einbehalten hat. Dieses Versäumnis kann strafrechtlich und mit Bußgeld (§ 380 AO) geahndet werden. Eine Erleichterung bietet in machen Fällen das aktuelle Schreiben des Bundesministeriums für Finanzen (BMF) vom 11. Februar 2021. Demnach ist von Vergütungen bis zum 30. September 2021 keine Steuer einzubehalten, wenn gewisse Voraussetzungen vorliegen. Das BMF-Schreiben gilt jedoch ausdrücklich nur für Rechte, die in ein inländisches öffentliches Buch oder Register eingetragen sind (siehe dazu auch unseren Blog-Beitrag vom 12. Februar 2021). Die bei der Entwicklung von Software entstehenden Urheberrechte sind daher gerade nicht erfasst.

 

Inwieweit Quellensteuer abzuziehen ist, wenn Software im Ausland entwickelt werden soll, ist nicht eindeutig geklärt. Die Verlautbarungen des BMF deuten darauf hin, dass Quellensteuer von der Vergütung einzubehalten ist. Die Änderung des UrhG gibt hingegen eine gute Grundlage für eine gegenteilige Argumentation.

Auffassung des BMF

Umfassende Rechteeinräumung als wirtschaftliche Weiterverwertung

Maßgeblich für das BMF ist, ob eine wirtschaftliche Weiterverwertung erfolgt. Dazu stellt das BMF in einem Schreiben vom 27. Oktober 2017 zur grenzüberschreitenden Überlassung von Software und Datenbanken darauf ab, ob der Entwickler dem Auftraggeber umfassend Rechte einräumt.  Wenn dann noch die übrigen Voraussetzungen vorliegen, handelt es sich um inländische Einkünfte des ausländischen Entwicklers nach § 49 Abs. 1 Nr. 2 lit. f und Nr. 6 EStG. Für diese wäre Quellensteuer gemäß § 50a Abs. 1 Nr. 3 EStG durch den deutschen Unternehmer abzuführen.

Regelmäßig zeitlich begrenzte Nutzungsüberlassung bei Urheberechten

Im Regelfall werde die urheberrechtliche Nutzung nur für einen begrenzten Zeitraum überlassen, so das BMF. Den Kauf eines Rechts, also die dauerhafte Überlassung, könne es im Urheberrecht nicht geben. Folgt man dieser Auffassung, wäre bei urheberrechtlichen Nutzungsrechten, die dem deutschen Auftraggeber eingeräumt werden, regelmäßig Quellensteuer von der zu zahlenden Vergütung einzubehalten.

Urteile des BFH zum „Total Buy-Out“

In eine ähnliche Richtung weisen zwei Urteile des BFH aus dem Jahr 2018. In dem einen Urteil ging es um eine Romanverfilmung (BFH vom 24. Oktober 2018 – I R 69/16). In dem anderen Urteil war eine Auslandsreportage betroffen (BFH vom 24. Oktober 2018 – I R 83/16): Hierbei komme es nicht zu einer endgültigen Übertragung von Rechten (Rechtekauf). Begründet wird dies zum Teil mit dem Recht des Urhebers zum Rückruf nach § 41 UrhG. Darüber hinaus wurde der Anspruch des Urhebers auf eine Beteiligung am Erfolg seines Werkes aus § 32a UrhG („Fairness-Paragraf“) betont.

Auswirkung der Gesetzesänderung

Mit Wirkung zum 7. Juni 2021 sind die Vergütungsregelungen auf Softwareentwickler als Urheber nicht mehr anwendbar. Der Anspruch auf eine Vergütung aus § 32a UrhG entfällt. Gleiches gilt für das Recht zum Rückruf nach § 41 UrhG. Eine Differenzierung zwischen angestellten Entwicklern und Freelancern erfolgt ausdrücklich nicht. Der Argumentation des BFH in Sachen „Total Buy-Out“ ist damit der Boden entzogen worden. Die Frage, ob die Nutzung von Urheberrechten nicht auch dauerhaft im Sinne eines Rechtekaufs übertragen werden kann, ist damit wieder neu zu bewerten. Es lassen sich gute Gründe finden, weshalb ein Quellensteuerabzug nicht zwingend vorgenommen werden muss, wenn der Entwickler dem Auftraggeber Nutzungsrechte einräumt. Auch dürfte bedeutend sein, ob die Software vom Auftraggeber bearbeitet werden darf oder nicht.