Bundesregierung legt Gesetzesentwurf zur Modernisierung des Steuerverfahrensrechts vor

In der Praxis hat sich herausgestellt, dass der teilweise lange Zeitraum zwischen Beginn und Abschluss einer Außenprüfung für die Steuerpflichtigen eine erhebliche Belastung darstellen kann. Aus diesem Grund sollen die verfahrensrechtlichen Rahmenbedingungen der Außenprüfung reformiert werden.

Am 24.8.2022 hat die Bundesregierung einen Entwurf zur Umsetzung der sog. DAC 7-Richtlinie der EU (Richtlinie (EU) 2021/514 des Rates vom 22.3.2021) vorgelegt. Neben den Aspekten zur Umsetzung der Richtlinie enthält der Entwurf weitere Neuerungen bezüglich der Modernisierung des Steuerverfahrensrechts. Die Regelungen dürften für alle Unternehmen von großer Relevanz sein, da sie die allgemeinen Mitwirkungspflichten des Steuerpflichtigen sowie die steuerliche Außenprüfung (Betriebsprüfung) betreffen.

Aufgrund des Umfangs und der Vielfalt werden die wichtigsten Neuerungen in zwei Blogbeiträgen vorgestellt. In diesem ersten Teil beginnen wir mit den Änderungen zur Verrechnungspreisdokumentation und dem sog. „qualifizierten Mitwirkungsverlangen“.

Verrechnungspreisdokumentation: Verschärfte Regelungen zur zeitnahen Aufzeichnung

Nach § 90 Abs. 3 AO hat der Steuerpflichtige Aufzeichnungen über seine Geschäftsbeziehungen mit nahestehenden Personen zu erstellen. Die Aufzeichnungen sollen durch das Finanzamt regelmäßig nur zur Durchführung einer Außenprüfung angefordert werden. Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen sind zeitnah anzufertigen.

Anpassung von § 90 Abs. 3 AO

90 Abs. 3 AO soll angepasst werden (siehe hierzu auch den Beitrag von Bärsch/Lackner). Die bisherigen Modalitäten zur Vorlage (§ 90 Abs. 3 Sätze 5 ff. AO) werden gestrichen. Zukünftig regelt § 90 Abs. 3 Sätze 5 und 6 AO-E, dass Aufzeichnungen zu außergewöhnlichen Geschäftsvorfällen zeitnah zu erstellen sind und sie (sowohl zu außergewöhnlichen als auch zu „regelmäßigen“ Geschäftsvorfällen) auf Anforderung des Finanzamts zu ergänzen sind.

Neue Modalitäten zur Vorlagepflicht der Verrechnungspreisdokumentation

Zukünftig soll die Verrechnungspreisdokumentation nach § 90 Abs. 3 AO ausdrücklich jederzeit und damit auch außerhalb von Außenprüfungen durch das Finanzamt angefordert werden können (§ 90 Abs. 4 Satz 1 AO-E). Darüber hinaus ist die Verrechnungspreisdokumentation für den Fall einer Außenprüfung unaufgefordert vorzulegen (§ 90 Abs. 4 Satz 2 AO-E). Kommt der Steuerpflichtige seiner Vorlagepflicht nicht (rechtzeitig) nach, so dürfte dies einen Verstoß gegen die Mitwirkungspflichten darstellen und regelmäßig die Festsetzung von Zuschlägen nach § 162 Abs. 4 Satz 3 AO auslösen. Zeitlich ist die Verrechnungspreisdokumentation spätestens 30 Tage nach Anforderung bzw. nach Bekanntgabe der Prüfungsanordnung vorzulegen, wobei die Frist im Einzelfall verlängert werden kann (§ 90 Abs. 4 Sätze 3 und 4 AO-E). Die Neuregelungen dürften dafür sorgen, dass zusätzlicher zeitlicher Druck auf die Steuerpflichtigen entsteht. Insbesondere sollte künftig eine laufende Aktualisierung der Verrechnungspreisdokumentation sichergestellt sein.

Qualifiziertes Mitwirkungsverlangen als neues Instrument der Finanzverwaltung

Jeder Steuerpflichtige hat bei der Feststellung der Sachverhalte mitzuwirken, die für die Besteuerung erheblich sein können (§ 90 Abs. 1 AO). Hier sind insbesondere Auskünfte zu erteilen, Aufzeichnungen, Bücher, Geschäftspapiere und andere Urkunden zur Einsicht und Prüfung vorzulegen sowie die zu einem Verständnis notwendigen Erläuterungen abzugeben.

Das „qualifizierte Mitwirkungsverlangen“ gem. § 200a AO-E soll ein neues Druckmittel zur Kooperation darstellen. Der Steuerpflichtige kann künftig formal in Form eines schriftlich oder elektronisch zu erteilenden Mitwirkungsverlangens zur Mitwirkung aufgefordert werden. Einer gesonderten Begründung soll es nicht bedürfen. Dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen soll grundsätzlich innerhalb einer Frist von einem Monat nach Bekanntgabe nachzukommen sein. Wird dem qualifizierten Mitwirkungsverlangen jedoch nicht oder nicht vollständig entsprochen, soll dies – ohne Ermessen des Finanzsamts – durch ein Mitwirkungsverzögerungsgeld geahndet werden. Das Mitwirkungsverzögerungsgeld nebst ggf. fälligem Zuschlag ist dann als steuerliche Nebenleistung i.S.v. § 3 Abs. 4 AO zu qualifizieren.

Drohende Sanktionen bei verzögerter Mitwirkung

Das Mitwirkungsverzögerungsgeld soll für jeden vollen Tag der Mitwirkungsverzögerung EUR 100 betragen und höchstens für 100 Kalendertage festgesetzt werden können. Bei Festsetzung des Mitwirkungsverzögerungsgelds verlängert sich mitunter auch die Ablaufhemmung in der Betriebsprüfung um die Dauer der Verzögerung, mindestens jedoch um ein Jahr.

In gewissen Fällen besteht nach dem Gesetzesentwurf zudem die Möglichkeit, dass das Finanzamt – nach eigenem Ermessen – einen Zuschlag auf das Mitwirkungsverzögerungsgeld festsetzt. Dies gilt insbesondere dann, wenn in der Vergangenheit bereits ein Mitwirkungsverzögerungsgeld festgesetzt wurde oder zu befürchten ist, dass sich der Steuerpflichtige aufgrund seiner wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit ohne einen Zuschlag unkooperativ zeigt. Die wirtschaftliche Leistungsfähigkeit soll insbesondere angenommen werden, wenn die Umsatzerlöse EUR 12 Mio. bzw. die Konzernumsatzerlöse EUR 120 Mio. überschreiten. Der Zuschlag beträgt maximal EUR 10.000 je Tag und kann höchstens für 100 Kalendertage festgesetzt werden.

Verschärfung in der Außenprüfung zu befürchten

Als Druckmittel gegenüber dem Steuerpflichtigen zielt das „qualifizierte Mitwirkungsverlangen“ ebenfalls auf die Beschleunigung der Außenprüfung ab. Nach dem Entwurf soll der Außenprüfer das Instrument nach Benachrichtigung des Steuerpflichtigen begründungslos einsetzen können. Kommt der Steuerpflichtige der Aufforderung nicht innerhalb der gesetzlichen Monatsfrist nach, drohen empfindliche Strafen. Es ist daher zu empfehlen, ausreichend personelle Ressourcen vorzuhalten, um Anfragen im Rahmen der Betriebsprüfung zeitnah beantworten zu können.