Neue Fahndungswelle bei sogenannten Millionärsfonds

14.03.2017

Anfang 2017 haben Ermittlungsbehörden bundesweit erneut Durchsuchungen bei Anlegern einer Reihe von Spezialfonds sowie bei Banken und Verwaltungsgesellschaften durchgeführt. Dabei handelt es sich nunmehr bereits um die dritte „Fahndungswelle“ im Zusammenhang mit in der Presse als solche bezeichneten „Millionärsfonds“. Diese in den meisten (aber nicht allen) Fällen nach Luxemburger Recht aufgelegten Fonds haben gemeinsam, dass an ihnen einige wenige vermögende Privatpersonen beteiligt sind, die ihren Wohnsitz in Deutschland haben. Die ersten Durchsuchungen wurden bereits in 2015 durchgeführt. Ausgangspunkt für die Ermittlungsmaßnahmen waren zuvor abgegebene Geldwäscheverdachtsmeldungen von Banken, zu deren Kundenkreis die Anleger der betroffenen Spezialfonds gehörten.

Nach dem Vorwurf der Ermittlungsbehörden hätten die in Deutschland steuerpflichtigen Anleger Steuern verkürzt, indem sie zu Unrecht investmentsteuerliche Privilegierungen in Anspruch genommen hätten, obwohl die Spezialfonds nicht alle Voraussetzungen für die Anwendung des Investmentsteuergesetzes (InvStG) erfüllten. Insbesondere sei gegen den sog. Grundsatz der Fremdverwaltung verstoßen worden, da die Verwaltung des Vermögens der Spezialfonds faktisch bei den Anlegern verblieben sei. Da die Anleger demzufolge wirtschaftliche Eigentümer der Vermögensanlagen der Spezialfonds seien, hätten sämtliche Erträge mit Zufluss transparent bei den deutschen Anlegern versteuert werden müssen. Gegenüber der Direktanlage führt die Anwendung des InvStG auf Ebene des Anlegers in der Regel zu einer geringeren steuerlichen Bemessungsgrundlage (sog. Fondsprivileg). Danach haben die Anleger als laufende Erträge grundsätzlich nur die ausgeschütteten und die ausschüttungsgleichen Erträge zu versteuern, nicht aber auf Fondsebene entstandene Gewinne aus Aktienveräußerungen. Diese werden grds. erst mit Rückgabe bzw. Veräußerung der Fondsanteile besteuert (Steuerstundungseffekt).

Im Kern der Vorwürfe der Ermittlungsbehörden steht dabei der Verstoß gegen den vermeintlichen Grundsatz der Fremdverwaltung. Dieser ergibt sich indes nicht aus dem InvStG und auch nicht aus dem Aufsichtsrecht (Investmentsteuergesetz, InvG und ab 24. Dezember 2013 Kapitalanlagegesetzbuch, KAGB), auf welches das Investmentsteuerrecht verweist. Auch gibt es – bis heute – weder eine veröffentlichte Auffassung der Finanzverwaltung noch der BaFin als zuständiger Finanzmarktaufsichtsbehörde. Ausgelöst durch die anhängigen Ermittlungsverfahren hat das Bundesministerium der Finanzen (BMF) erstmals in einem verwaltungsinternen Schreiben vom 26. Juli 2016 (IV C 1 - S 1980-1/15/10001:004) Stellung genommen. Mit den Ermittlungsbehörden bejaht das BMF den Grundsatz der Fremdverwaltung als ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal für die Anwendung des InvStG und trifft erste Aussagen zu seiner Ausgestaltung. Der Diskussionsentwurf des BMF ist mit der ausdrücklichen Bitte um Stellungnahme an die obersten Finanzbehörden der Bundesländer versehen. Dem Vernehmen nach gibt es aus mindestens zwei Bundesländern Rückäußerungen hierzu. Die endgültige Veröffentlichung des BMF-Schreibens steht jedoch noch immer aus und wird von den Finanz- und Ermittlungsbehörden und von der Beraterschaft gleichermaßen gespannt erwartet. Endgültige Rechtssicherheit ist jedoch erst in Jahren zu erwarten, wenn es die erste rechtskräftige (finanz-)gerichtliche Entscheidung gibt.

Unabhängig von der materiell-steuerlichen Beurteilung sind die Strafvorwürfe als äußerst kritisch anzusehen. Erhebliche Bedenken ergeben sich aus dem im Strafrecht geltenden Bestimmtheitsgebot (Art. 103 Abs. 2 GG), da sich der Fremdverwaltungsgrundsatz nicht aus dem Gesetzestatbestand (weder des InvStG noch des InvG oder des KAGB) ergibt. Davon abgesehen ist in Ermangelung einer ausdrücklichen gesetzlichen Regelung ein Hinterziehungsvorsatz nur sehr schwer zu begründen.

Jedoch selbst dann, wenn man die Prämisse der Finanz- und Ermittlungsbehörden, es gebe einen Fremdverwaltungsgrundsatz, als grds. zutreffend unterstellt, wird sich bei vielen Spezialfonds im Ergebnis kein Verstoß feststellen lassen. Einen Verstoß gegen den Fremdverwaltungsgrundsatz nimmt das BMF nämlich erst an, wenn Anleger „nachhaltig“ konkrete Anlageentscheidungen vorgeben. Nachhaltigkeit setzt jedoch eine beständige und unablässige Betätigung voraus. Nur gelegentliche Einzelanweisungen sowie Vorgaben zur Anlagepolitik bzw. von Anlagerichtlinien dürften selbst nach der Verwaltungsauffassung nicht zu einem Verstoß gegen den Grundsatz der Fremdverwaltung führen. Erst Recht gilt dies für eine rein beratende Tätigkeit von Anlegern, die laut BMF ausdrücklich zulässig sein soll, bspw. in Form eines Anlageausschusses. In objektiver Hinsicht ist außerdem stets fraglich und sollte immer überprüft werden, ob der von den Behörden angenommene Umfang der vermeintlichen Steuerverkürzung zutreffend berechnet ist. Dieser ergibt sich durch den Vergleich der Einkommensteuer bei transparenter Besteuerung gegenüber der Einkommensteuer auf Grundlage der bislang anhand der im Bundesanzeiger bekannt gemachten Besteuerungsgrundlagen erklärten Einkünfte.

Anleger, die in einen Spezialfonds investiert haben, der bislang noch nicht Gegenstand von Ermittlungsmaßnahmen war und denen Umstände bekannt sind, die als mögliche Eingriffe in die Fremdverwaltung gedeutet werden könnten, sollten ggf. eine vorsorgliche Offenlegung gegenüber der Finanzbehörde in Erwägung ziehen. Insoweit ist anzumerken, dass sich der Fokus der Ermittlungsbehörden offenbar nicht länger auf Luxemburger Fonds beschränkt. Da es auch Durchsuchungen bei Banken und Verwaltungsgesellschaften gegeben hat, ist ferner nicht auszuschließen, dass die Ermittlungsbehörden auf diesem Wege Erkenntnisse zu weiteren Spezialfonds und deren Anlegern erlangt haben (Zufallsfunde) und entsprechende Ermittlungen einleiten.

Dr. Andreas Höpfner