Steuerplanung in und nach der Corona-Krise

28.05.2020

Die Corona-Pandemie stellt Unternehmen vor grundlegende wirtschaftliche Herausforderungen. Die ad hoc gewährten steuerlichen Hilfen des Bundes und der Länder sind nur ein kurzfristiger Baustein zur Krisenbewältigung. Unternehmen stehen krisenbedingt vor einer Vielzahl steuerlicher Herausforderungen. Im Folgenden geben wir Ihnen einen Überblick über die wesentlichen Themen der Steuerplanung in und nach der Corona-Krise.

Kurzfristige Maßnahmen zur Liquiditätssicherung mit staatlicher Unterstützung

  • Steuerliche Hilfen zu Vorauszahlung, Stundung und Vollstreckungsaussetzung

Die Maßnahmen fußen auf den BMF-Schreiben vom 19. März 2020 und vom 24. April 2020 sowie den Zusatzregelungen einzelner Finanzministerien der Länder.

 

  • Weitere Hilfsprogramme, Wirtschaftsstabilisierungsfonds und Soforthilfen für KMU

Mittelfristige Maßnahmen für die Steuerjahre 2019/2020

  • Schaffung faktischer Verlustrückträge aus dem Jahr 2020 in das Jahr 2019

Als Ausgangsbasis wird 2019 mit einem steuerlichen Gewinn und in 2020 mit einem steuerlichen Verlust gerechnet. Der gesetzliche Verlustrücktrag ist gemäß § 10d Abs. 1 EStG auf EUR 1 Mio. beschränkt und gilt nicht für die Gewerbesteuer. Der coronabedingt gewährte Pauschalrücktrag als Verfahrenserleichterung ändert daran nichts. Es gilt daher zusätzliche Wege im Sinne „faktischer Verlustrückträge“ zu identifizieren. Ansatzpunkte dafür können eine Anpassung des Wirtschaftsjahres sowie die gezielte Aufdeckung stiller Lasten in 2019 sein. Der aktuell von acht auf zwölf Monate verlängerte Rückwirkungszeitraum für Umstrukturierungen nach dem UmwG und UmwStG erweitert für beides den Handlungsspielraum.

 

  • Ausgleich etwaiger Verluste des Jahres 2020 im Jahr 2020

Ziel ist die Verrechnung von Verlusten im Jahr 2020 durch gezielte Zusatzerträge. Als Instrument dafür sind solche Umwandlungen besonders geeignet, bei denen der Höhe nach justierbar und möglichst spät über die tatsächliche Anwendung entschieden werden kann. Die Vorbereitung im Sinne des Legens von Sperrfristen muss rechtzeitig erfolgen. Weitere Instrumentarien sind klassische bilanzpolitische Maßnahmen zur Ergebniserhöhung sowie der Verkauf von Vermögenswerten mit stillen Reserven innerhalb der Organschaftsgruppe.

 

  • Vermeidung GewSt-Anrechnungsüberhänge und Absicherung Betriebsaufspaltung

Bei ungleicher Ergebnisverteilung mehrerer Tochterpersonengesellschaften kann es zu Anrechnungsüberhängen kommen. Die Insolvenz der Betriebs-GmbH kann eine bestehende Betriebsaufspaltung gefährden. Aus beidem drohen unbeabsichtigte empfindliche Zusatzlasten.

 

  • Prüfung eigener Risikopositionen im Zusammenspiel von Steuern und Haftung

Durch die Krise gefährdete fremde Dritte können zu eigenbetrieblichen Liquiditätsabflüssen führen. Die AO und das Ertragsteuerrecht sehen mehrere Ansatzpunkte zur Haftung für Steuern von Dritten sowie für Auswirkungen Dritter auf die eigene Besteuerung vor.

 

  • Dokumentation der Maßnahmen und Vermeidung steuerlicher Kollateralschäden

Auch bei akutem Handlungsbedarf z.B. zur Umverteilung von Liquidität gilt es die Maßnahmen und Beweggründe sorgfältig zu dokumentieren um die formellen Voraussetzungen erfüllen zu können.

 

Längerfristige Maßnahmen

  • Maßnahmen zur Finanzstruktur in der Unternehmensgruppe generell und bei Sanierung

Zur Anpassung der Finanzstruktur bieten sich zahlreiche Ansatzpunkte. Möglich ist die Zuführung von Eigenkapital, mit Unterscheidung der steuerlichen Konsequenzen zwischen quotaler und disquotaler Kapitalerhöhung sowie alternativ die Einbringung von Teilbetrieben oder Einzelwirtschaftsgütern. Ebenfalls denkbar ist die Aufnahme neuer Investoren per Anteilsübertragung mit besonderem Augenmerk auf der Erhaltung steuerlicher Verlustvorträge. Ein weiterer Ansatzpunkt liegt in der Zuführung von Fremdkapital bzw. der Anpassung von Darlehensverträgen. Schließlich können als Maßnahmen noch ein ganzer oder teilweiser Forderungsverzicht, ein Rangrücktritt, ein Debt-Equity-Swap oder eine befreiende Schuldübernahme in Erwägung gezogen werden. Bei all dieses Maßnahmen gilt es die steuerlichen Implikationen sauber zu prüfen.

 

  • Prävention und Optimierung Zinsschranke und Organschaft

Angesichts höherer Darlehen und geringerer Ergebnisse droht die Zinsschranke häufiger bzw. stärker zu greifen. Es empfiehlt sich zunächst eine konzernweite Planungsrechnung zur Nutzbarkeit der Ausnahmetatbestände aufzustellen, bei der Besonderheiten u.a. hinsichtlich Organschaft, Personengesellschaften und Zinsswaps zu beachten sind. Besteht entsprechender Handlungsbedarf, bieten sich die Erhöhung des steuerlichen EBITDAs, die Überprüfung des fremdüblichen Zinssatzes in Darlehensverträgen und ggf. eine Anpassung der Organkreise an. Zur Organschaft besteht als wichtiger Punkt mit potenziell schädlicher Langzeitwirkung die Notwendigkeit der tatsächlichen Verlustübernahme durch den Organträger. Bei Verstößen droht die Versagung der Organschaft für eines oder mehrere Jahre und im Zuge dessen eine ungewollte Isolation steuerlicher Verluste.

 

  • Sicherung steuerlicher Verlustvorträge mit Blick auf Umwandlung und M&A

Bei Verkäufen und Umstrukturierungen sollten nach Möglichkeit die verrechenbaren Verluste und Verlustvorträge erhalten bleiben. Die §§ 8c KStG und 10a Satz 10 GewStG stehen diesem Bestreben bei Anteilsübertragungen über 50% entgegen. Bei Umstrukturierungen gilt dies, sofern nicht die Konzernklausel als Ausnahme greift, gleichermaßen. Als Ansatzpunkte zur Steuerung bietet sich die Verlustnutzung im Rahmen eines Asset-Deals, die Nutzung der Stille-Reserven-Klausel oder der Sanierungsklausel im Zuge eines Share-Deals sowie ggf. das Regime des fortführungsgebundenen Verlustvortrags nach § 8d KStG an. Die Vorteilhaftigkeit der Alternativen ist mithin abhängig von der Höhe und Entwicklung vorhandener stiller Reserven, dem Investitionsplan und der Gefahr der Realisierung eines schädlichen Ereignisses. Ein unterjähriger Anteilsverkauf und ein Loan-to-own-Ansatz bedürfen steuerlich einer besonderen Prüfung.

 

Ausblick auf drohende Steuererhöhungen

  • Kommt die Corona-Vermögensabgabe?

Mehrere Parteien und das Deutsches Institut für Wirtschaftsforschung (DIW) fordern die Vermögensabgabe, ggf. kombiniert mit einem sog. „Corona-Soli“. Die Wissenschaftlichen Dienste des deutschen Bundestags haben die verfassungsrechtliche Zulässigkeit solcher Maßnahmen jüngst geprüft. Im Ergebnis scheint der Anwendungsbereich zumindest noch nicht eröffnet. Bereits das Restrisiko und die Gefahr einer Verfestigung der Handlungsbasis geben angesichts der drastischen im Raum stehenden Maßnahmen Grund zur Sorge.

 

  • Welche sonstigen Steuerverschärfungen sind zu erwarten?

Das ATAD-Umsetzungsgesetz, welches nach derzeitigem Stand zeitlich in zwei Tranchen zum 01.01.2020 und zum 01.01.2021 Gültigkeit erlangen wird, sieht bei der Hinzurechnungs-, Wegzugs- und Entstrickungsbesteuerung Verschärfungen vor. Daneben ist die Verschärfung der Grunderwerbsteuer insbesondere im Bereich der „Share Deals“ in Aussicht. Es ist angedacht die Beteiligungsschwellen abzusenken und die Beobachtungsfristen deutlich zu verlängern.

Das Autorenteam - bestehend aus Matthias Rogall, Thomas Belz, Karl Broemel, Daniel Dreßler, Frieder B. Mörwald, Tobias Schwan, Sören Schwechel und Anika Wegner - hat zur hier vorliegenden Kompaktübersicht eine detaillierte Vortragsunterlage erstellt und steht für Diskussion einzelner oder aller Themen gern zur Verfügung.