Stiftungen: die Reform des Stiftungsrechts dauert an

15.06.2022 | FGS Blog

Im vergangenen Jahr haben Bundestag und Bundesrat die lang ersehnte Reform des Stiftungsrechts beschlossen (Gesetz zur Vereinheitlichung des Stiftungsrechts und zur Änderung des Infektionsschutzgesetzes). Mit Wirkung zum 1. Juli 2023 wird das Stiftungsrecht bundeseinheitlich und abschließend im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) geregelt. Zum 1. Januar 2026 wird ein zentrales Stiftungsregister eingerichtet. (Hierzu siehe bereits unseren Blog-Beitrag vom 28. Juni 2021.) Nun geht es an die Anpassung der Landesstiftungsgesetze.

Zersplitterung des materiellen Stiftungsrechts

Das materielle Stiftungsrecht stellt bislang einen Flickenteppich aus bundes- und landesgesetzlichen Regelungen und gewohnheitsrechtlich anerkannten Grundsätzen dar. Neben den wenigen Regelungen zum materiellen Stiftungsrecht im BGB gibt es in jedem Bundesland ein eigenes Landesstiftungsgesetz (zu allen 16 Landesstiftungsgesetzen hier).

 

Dies führte in der Vergangenheit mitunter zu Rechtsunsicherheit, ob Bundes- oder Landesrecht anwendbar ist. Darüber hinaus unterscheidet sich nicht nur das jeweilige Landesrecht in Teilen, sondern auch die Verwaltungspraxis der einzelnen Stiftungsbehörden.

Bundeseinheitliches Stiftungsprivatrecht

Das materielle Stiftungsrecht beinhaltet Regelungen zur Errichtung einer Stiftung, zum Stiftungszweck und zum Stifterwillen, zum Stiftungsvermögen und den Stiftungsorganen, zu Satzungsänderungen, der Zu- und Zusammenlegung und Auflösung von Stiftungen. Dies alles wird ab 1. Juli 2023 abschließend und bundeseinheitlich im BGB geregelt.

 

Dadurch erfährt das Stiftungsrecht allerdings keine grundlegende Änderung. In vielen Bereichen geben die gesetzlichen Neuregelungen die bestehende Rechtslage wieder und entfalten insoweit schon eine gewisse Vorwirkung. Dies wird nach unserem Eindruck auch von den meisten Stiftungsaufsichtsbehörden so verstanden, sowohl bei der Neuerrichtung von Stiftungen als auch bei den zahlreichen Anpassungen von Stiftungssatzungen an das neue Recht, die wir derzeit begleiten. Zudem werden einige Meinungsstreitigkeiten geklärt, die bislang zu einer unterschiedlichen Rechtspraxis in den Bundesländern geführt haben.

Novellierung der Landesstiftungsgesetze

Die 16 Bundesländer beschäftigen sich derzeit mit der Überarbeitung ihrer Landesstiftungsgesetze. Durch die abschließende Behandlung des materiellen Stiftungsrechts im BGB werden die Landesstiftungsgesetze künftig vor allem die Rechtsaufsicht regeln. Ende letzten Jahres hat die brandenburgische Landesregierung einen ersten Gesetzesentwurf für ein reformiertes Stiftungsgesetz für das Land Brandenburg vorgelegt (Drs. 7/4597).

Rechtsaufsicht

Für Erstaunen gesorgt hat die Absicht des brandenburgischen Gesetzgebers, die Rechtsaufsicht für nicht steuerbegünstigte (privatnützige) Stiftungen, wie Familienstiftungen, und Verbrauchsstiftungen einzuschränken. Sie soll sich auf Maßnahmen zur Abwehr von Gemeinwohlgefährdungen sowie auf Maßnahmen zur Sicherung der Handlungsfähigkeit der Stiftungsorgane beschränken. Zur Begründung wird angeführt, bei privatnützigen Stiftungen bestehe kein öffentliches Interesse an staatlicher Stiftungsaufsicht. Die ordnungsgemäße Stiftungsverwaltung steuerbegünstigter Verbrauchsstiftungen würde zudem durch die Finanzverwaltung geprüft.

 

Dies war anders erwartet worden, weil das neue Stiftungsrecht keine Unterscheidung zwischen privatnützigen und gemeinnützigen Stiftungen vorsieht. Jedenfalls nach Meinung des Bundesverbandes Deutscher Stiftungen sollten alle rechtsfähigen Stiftungen gleich behandelt werden und sich die Rechtsaufsicht gleichermaßen auf diese erstrecken.

Weitere Forderungen des Bundesverbands Deutscher Stiftungen

Der Bundesverband Deutscher Stiftungen listet in seiner aktuellen Stellungnahme zur Novellierung der Landesstiftungsgesetze weitere Punkte auf, die die Landesgesetzgeber berücksichtigen sollten. Dazu gehören u.a. folgende:

  • Die Autonomie des Stifterwillens bei der Satzungsgestaltung sollte gewahrt werden. Von den Ländern veröffentlichte Mustersatzungen enthalten lediglich Anregungen, aber keine für Stiftungssatzungen verbindlichen Vorgaben.
  • Die Landesgesetze sollten keine flächendeckende Pflicht zur Jahresabschlussprüfung durch einen Abschlussprüfer vorsehen. Dies würde viele Stiftungen unverhältnismäßig stark belasten.
  • Da Stiftungen bis zur Einführung des Stiftungsregisters im Jahr 2026 bei Auftreten im Rechtsverkehr regelmäßig Vertretungsbescheinigungen benötigen, sollten alle Stiftungen einen Rechtsanspruch auf die Ausstellung von Vertretungsbescheinigungen erhalten.
  • Im Rahmen einer präventiven Aufsicht könne eine Anzeigepflicht für bestimmte Vorgänge gesetzlich verankert werden. Landesrechtliche Genehmigungserfordernisse für die laufende Stiftungstätigkeit, wie z.B. für die Eingehung von Bürgschaften, sind nach dem neuen Recht nicht mehr zulässig.
  • Die Bearbeitungszeiten der Stiftungsbehörden sollten erheblich beschleunigt werden und entsprechende Reaktionszeiten, z.B. bei Anträgen auf Satzungsänderung, gesetzlich festgelegt werden.

Einheitliche Umsetzung des neuen Rechts

Es bleibt abzuwarten, wie sich Brandenburg und die anderen Bundesländer zu den Forderungen positionieren. Dass sich die Länder auf ein mehr oder weniger einheitliches Landesstiftungsgesetz einigen, wäre zu schön um wahr zu sein. Für die Praxis wünschenswert wäre aber jedenfalls eine länderübergreifende einheitliche Anwendung der neuen BGB-Vorschriften in den einzelnen Bundesländern. Dies würde auch aus Sicht bestehender Stiftungen und potenzieller Stifter erhebliche Rechtssicherheit schaffen.

 

Für eine erste vertiefte und umfassende Darstellung des materiellen Stiftungsrechts nach der Reform darf an der Stelle auf das in Zusammenarbeit zwischen Flick Gocke Schaumburg und dem Bundesverband Deutscher Stiftungen entstandene und soeben erschienene Werk „Schauhoff/Mehren – Stiftungsrecht nach der Reform“ verwiesen werden.