Ukraine-Krieg trifft Unternehmensbilanzen – Update zum IDW Hinweis

14.04.2022 | FGS Blog

Realwirtschaftliche Konsequenzen des Ukraine-Kriegs treffen Unternehmen

Der Ukraine-Krieg hat unmittelbar heftige Ausschläge an den globalen Güter- und Finanzmärkten verursacht. Störungen der Lieferkette, Unsicherheiten auf Absatzmärkten sowie inflationsinduzierte, starke Preissteigerungen auf Güter- und Kapitalmärkten werden deutlich sichtbare Spuren in den Unternehmensbilanzen hinterlassen. Auch der Rückzug aus dem russischen oder belarussischen Markt im Kontext einer sich weiterdrehenden Sanktionsspirale birgt ein erhebliches Abschreibungspotential für Unternehmen.

 

Das IDW hat eine Aktualisierung und Erweiterung seines ersten Fachlichen Hinweis (vgl. FGS-Blog v. 16. März) zu den Auswirkungen des Ukraine-Krieges vorgenommen. Neben den Effekten auf die Rechnungslegung für Stichtage nach Kriegsausbruch bietet der aktualisierte IDW-Hinweis nun auch Orientierung zum Umgang mit Sanktionen.

Wahlrecht zur Vollkonsolidierung russischer, belarussischer und ukrainischer Tochterunternehmen

Unter den Voraussetzungen des § 296 HGB braucht ein Tochterunternehmen nicht im Wege der Vollkonsolidierung in den Konzernabschluss einbezogen werden. Es besteht ein Wahlrecht, wenn kumulativ erhebliche und andauernde Beschränkungen der Rechteausübung vorliegen oder mit unverhältnismäßig hohen Kosten oder unangemessenen Verzögerungen der Informationsbeschaffung zu rechnen ist.

 

Beschränkungen müssen sich auf wesentliche Vermögensteile beziehen und können im Kontext des Ukraine-Krieges auch rein tatsächlicher Natur sein, z.B. infolge staatlicher Zwangsmaßnahmen oder verhängter Sanktionen. Bei Ausübung des Wahlrechts erfolgt im ersten Schritt ein erfolgsneutraler Übergang gem. DRS 23. Im zweiten Schritt kann sich jedoch ein erfolgswirksamer Abschreibungsbedarf aus dem sich anschließenden Niederstwerttest ergeben.

Bewertung des Anlagevermögens ist zu hinterfragen

Das Anlagevermögen eines Unternehmens ist regelmäßig im Rahmen des Niederstwerttests auf seine Werthaltigkeit hin zu beurteilen. Ist die Nutzung von Sachanlagen aufgrund des Ukraine-Krieges (z.B. Störung von Lieferketten) eingeschränkt, so gilt, dass vorübergehend eingeschränkt nutzbare/stillgelegte Anlagen grds. weiterhin planmäßig abzuschreiben sind. Nur im Falle einer dauerhaft eingeschränkten Nutzung sind außerplanmäßige Abschreibungen im Stilllegungszeitpunkt vorzunehmen. Für die Folgeperioden ist dann das Wertaufholungsgebot zu beachten.

 

Einem Niederstwerttest sind auch aktivierte Geschäfts- oder Firmenwerte zu unterziehen. Eine Wertminderung kann sich beispielsweise kriegsbedingt ergeben, wenn ein Geschäfts- oder Firmenwert Märkte in der Ukraine, Russland oder Weißrussland betrifft. Zur Vorgehensweise wird auf DRS 23 und 26 verwiesen. Wird ein Geschäfts- oder Firmenwert außerplanmäßig abgeschrieben, so ist das Wertaufholungsverbot (§ 253 Abs. 5 S. 2 HGB) zu beachten.

 

Für Anteile an verbundenen Unternehmen und Beteiligungen gilt ein Abschreibungsgebot nur im Fall voraussichtlich dauernder Wertminderungen (§ 253 Abs. 3 Satz 5 HGB). Eine Wertminderung von voraussichtlicher Dauer wird für Beteiligungen/Anteile an verbundenen Unternehmen grds. angenommen, wenn der nach IDW RS HFA 10 ermittelte Zukunftserfolgswert (s. den fachlichen Hinweis des FAUB v. 20.3.2022) unter dem Buchwert liegt. Etwas anderes gilt bei Veräußerungsabsicht. Dann richtet sich die Bewertung nach anderen Kriterien (z.B. Angebote, Börsenkurs).

Vorratsbewertung im Kontext des Ukraine-Kriegs

Die Herstellungskosten dürfen angemessene Teile von Gemeinkosten/Abschreibungen enthalten. Hierzu zählen nicht solche Gemeinkosten/Abschreibungen, die im Zeitraum einer vorübergehenden Stilllegung bzw. Nutzungseinschränkung von Anlagen entstehen (Leerkosten i.S.v. IDW RS HFA 31 n.F.).

 

Für Vorräte kann sich im Übrigen nach § 254 Abs. 4 HGB insb. ein Wertberichtigungsbedarf ergeben, wenn es infolge des Ukraine-Krieges zu gefallenen Absatzpreisen gekommen ist. Forderungen des Umlaufvermögens (z.B. gegenüber russischen, ukrainischen oder belarussischen Schuldnern) sind auf ihre Einbringlichkeit zu prüfen. Ggf. ist eine Einzelwertberichtigung erforderlich. Das Zuschreibungsgebot nach § 253 Abs. 5 S. 1 HGB ist zu beachten.

Unternehmen sollten EU-Sanktionen bei Vertragsbeziehungen im Blick haben

Die EU hat in großer Geschlossenheit scharfe Wirtschaftssanktionen gegen Russland verhängt und mit den Verordnungen (EU) Nr. 269/2014 und Nr. 833/2014 eine unmittelbar geltende Rechtsgrundlage hierfür geschaffen. Ein Verstoß ist mit hoher Geldbuße bzw. Freiheitsstrafe belegt. Unternehmen sollten daher ihre Vertragsbeziehungen im Hinblick auf die EU-Sanktionen prüfen.

 

Der Abschluss neuer Verträge, die gegen die EU-Sanktionen verstoßen, ist nicht mehr möglich. Solche Verträge wären nichtig (Verstoß gegen ein gesetzliches Verbot, § 134 BGB). Bereits bestehende Verträge mit Sanktionsbezug blieben hingegen grundsätzlich wirksam. Im Kontext eines Rückzugs aus den russischen Märkten sollten Unternehmen nun überlegen, ob bestehende Verträge mit Berufung auf eine Störung der Geschäftsgrundlage gem. § 313 BGB gelöst werden können oder alternativ ein Leistungsverweigerungsrecht gem. § 275 BGB besteht.

Frühzeitige Kommunikation der bilanziellen Kriegsfolgen notwendig

Der Fachliche Hinweis enthält noch eine Reihe von weiteren Hilfestellungen für Unternehmen und Abschlussprüfer. Die Ausführungen gelten branchenübergreifend und sollen im Fortgang des Ukraine-Krieges laufend aktualisiert werden.

 

Klar ist, dass Unternehmen die bilanziellen Konsequenzen des Ukraine-Krieges spätestens in Abschlüssen für Stichtage nach dem 23. Februar 2022 ziehen müssen. Es ist daher zu empfehlen, drohende Abschreibungspotentiale intern zu ermitteln und frühzeitig in die externe Unternehmenskommunikation einzubeziehen.