Umsatzsteuerbefreiung für die Leistungen von Privatkliniken

19.04.2022 | FGS Blog
Dr. Alena Kirchinger

Nach drei Gesetzesfassungen und etlichen Urteilen ist die Umsatzsteuerbefreiung privater Krankenhäuser (Art. 132 Abs. 1 Buchst. b MwStSystRL, § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG) noch immer ein Dauerbrenner. Seit rund 15 Jahren gibt es im Schrifttum wie in der Rechtsprechung rege Diskussionen über die Anwendbarkeit der Steuerbefreiung auf Privatkliniken.

Rechtslage bis 2019

Streitgegenstand war und ist dabei meist die von 2009-2019 geltende Gesetzesfassung, nach welcher private Krankenhäuser nur steuerfreie Leistungen erbringen konnten, wenn sie als Plankrankenhäuser anerkannt waren. Dieses Kriterium ist für den Vergleich der Leistungen allerdings ungeeignet, da es lediglich Auskunft über den Bedarf an Krankenhausleistungen und nicht über die Vergleichbarkeit der Leistung an sich gibt. 2014 hatte der BFH (V R 20/14) daher entschieden, dass sich Privatkliniken auf das Unionsrecht berufen können, da die deutsche Regelung nicht unionsrechtkonform sei. Erfüllt das private Krankenhaus die Voraussetzungen der unionsrechtlichen Steuerbefreiung und beruft sich darauf, kommt es in den Genuss der Steuerbefreiung.

Gesetzesänderung 2020

Ab Anfang 2020 trat eine Gesetzesänderung des § 4 Nr. 14 Buchst. b Doppelbuchst. aa UStG in Kraft, wonach auch private Krankenhäuser umsatzsteuerfreie Leistungen erbringen können, soweit die Leistungen unter sozial vergleichbaren Bedingungen ausgeführt werden, wie von Krankenhäusern mit Kassenzulassung.

 

Aber auch damit war die Streitanfälligkeit nicht beseitigt. In sozialer Hinsicht vergleichbare Bedingungen sollen laut der Gesetzesänderung vorliegen, wenn das Leistungsangebot des Krankenhauses den von Krankenhäusern in öffentlich-rechtlicher Trägerschaft oder nach § 108 SGB V zugelassenen Krankenhäusern erbrachten Leistungen entspricht. Außerdem fordert das Gesetz, dass entweder mindestens 40 Prozent der jährlichen Belegungs- oder Berechnungstage auf Patienten entfallen, bei denen kein höheres Entgelt als für allgemeine Krankenhausleistungen nach dem KHEntgG oder der Bundespflegesatzverordnung berechnet wurde (Preisvergleich) oder voraussichtlich mindestens 40 Prozent der Leistungen den in § 4 Nummer 15 Buchstabe b genannten Personen zugutekommen (Patientenvergleich). Entspricht diese Fallbeilgrenze nun den Anforderungen des Unionsrechts? Tatsächlich führt der Preisvergleich immer wieder zu Schwierigkeiten. Die Behandlungspreise der einzelnen öffentlich-rechtlichen Kliniken lassen sich nur schwer bestimmen und ungeklärt ist, ob ein bundesweiter oder eher regionaler Maßstab anzulegen ist. Sind im Rahmen des Patientenvergleichs auch Beihilfepatienten positiv bei Prüfung der 40%-Quote zu berücksichtigen?

EuGH-Urteil vom 7. April 2022

In früheren Entscheidungen stellte der EuGH auf den Gemeinwohlcharakter und die Kosten bzw. deren Übernahme durch ein System der sozialen Sicherheit ab. In seiner neusten Entscheidung vom 7. April 2022, C-228/20 hat der EuGH noch einige andere Kriterien als relevant für die Bewertung eingestuft.

Zweck der Steuerbefreiung:

Oberstes Ziel, so der EuGH, sei die Kostensenkung der Heilbehandlungen sowie der niederschwellige Zugang zu qualitativ hochwertigen Heilbehandlungen. Deshalb müssen ähnliche Rahmenbedingungen eingehalten werden, wie auch von öffentlich-rechtlichen Kliniken. Dies soll sich auch in einer Vergleichbarkeit der Tagessätze und deren Berechnung niederschlagen. Entscheidend soll dabei sein, welche finanzielle Belastung der Patient am Ende der Behandlung selbst zu tragen hat. Dies soll eine Steuerbefreiung von Leistungen, die nicht unter sozialer Zielsetzung erbracht werden, vermeiden.

Kostenträger:

Indizwirkung kann dabei laut EuGH die Kostenübernahme eines Trägers des Systems der sozialen Sicherheit oder von anderen Behörden haben. Dies lässt sich nach unserem Dafürhalten nur so verstehen, dass nicht nur die gesetzlichen Krankenkassen insoweit zu berücksichtigen sind, sondern beispielsweise auch private Krankenkassen und Träger der Beihilfe. Von deutschen Finanzbehörden wird dies bisweilen bis heute bestritten. Beide sind aber im Lichte der allgemeinen Krankenversicherungspflicht notwendiger Teil des Systems der sozialen Sicherheit.

Leistungsfähigkeit:

Anders als im Schlussantrag, kann auch die Wirtschaftlichkeit und Leistungsfähigkeit der Klinik in Sachen Personal, Ausstattung und Räumlichkeiten ein weiteres Kriterium darstellen, wenn die öffentlichen Krankenhäuser vergleichbaren Betriebsführungsindikatoren unterliegen und die genannten Kriterien zur Senkung der Kosten der Heilbehandlung und zur Erweiterung der Zugänglichkeit dienen.

 

All diese Bedingungen müssen allerdings nicht identisch, sondern lediglich vergleichbar mit den Auflagen für öffentlich-rechtliche Krankenhäuser sein.

 

Auf die 40% Grenze geht der EuGH in seinem Urteil explizit nicht ein. Dieses Kriterium gilt aktuell nur für privat-rechtliche Einrichtungen. Bezweifelt werden darf daher, ob dieses Kriterium zulässig ist. Schließlich führt eine Überschreitung der 40% Grenzen des KHG bei einem öffentlich-rechtlichen Krankenhaus nicht zum Verlust der Steuerbefreiung.

Einordnung und Ausblick

Folglich würdigt der EuGH die Leistungen der privat-rechtlichen Einrichtungen unter den oben genannten Kriterien. Deren Ergebnis soll dann unter dem Gesichtspunkt der sozialen Zielsetzung Vergleiche mit den öffentlich-rechtlichen Einrichtungen ermöglichen. Damit geht er deutlich weiter als der BFH, der auf das Kriterium der Leistungsfähigkeit und Wirtschaftlichkeit von Krankenhausbehandlungen abstellt, welches aus den Vorgaben zur Genehmigung aus SGB V hergeleitet wurde. Ähnlich wie der BFH stellte auch die Finanzverwaltung mit dem BMF Schreiben aus 2016 lediglich auf die Berechnung des Preises und die finanzielle Belastung des Patienten ab. Dies wird wohl zukünftig zu ergänzen sein. Das vorlegende Gericht (FG Niedersachsen) steht nun vor der spannenden Aufgabe, die Aussagen des EuGH auf den konkreten Fall anzuwenden.