Verantwortung der Geschäftsleitung für IP-Verletzungen ihres Unternehmens

23.03.2022 | FGS Blog

Ein Urteil des Landgerichts Köln vom 6. Januar 2022 (Az. 14 O 38/19) gibt Anlass, sich einmal mehr mit dem Thema der Haftung von Geschäftsführern und Vorständen für Rechtsgutsverletzungen in ihrem Unternehmen zu beschäftigen. In der vorliegenden Entscheidung wurde der beklagte Geschäftsführer wegen mittäterschaftlich begangener Urheberrechtsverletzung zu Unterlassen und Auskunft verurteilt.

Haftung der Geschäftsleitung für Verletzung von Immaterialgütern

Abhängig davon, welche IP-Rechte von einem Geschäftsmodell berührt werden, droht mehr oder weniger schnell eine persönliche Haftung des Geschäftsführers oder Vorstands einer Gesellschaft. Anfang des Jahres entschied das Landgericht Köln beispielsweise, dass ein (kaufmännischer) Geschäftsführer mittäterschaftlich mit dem unmittelbar handelnden Programmierer haften kann. Im dortigen Fall ging es um ein rechtwidriges Geschäftsmodell einer GmbH, welches auf die Umgehung der Spielregeln eines Online-Rollenspiels angelegt war (Verletzen von Urheberrechten durch Debugging); bitte sehen Sie auch unseren Blog-Beitrag hierzu).

 

Im Folgenden werden die unterschiedlichen Voraussetzungen einer Haftung dargestellt:

1. Patentrecht (BGH „Glasfasern II“ – 2015)

Im Patentrecht ist regelmäßig eine Klage gegen die Gesellschaft und den Geschäftsführer parallel möglich (BGH vom 15.12.2015 “Glasfasern II“): Der Geschäftsführer hat die Rechte Dritter zu schützen. Dies gilt insbesondere dann, wenn eine Gesellschaft technische Erzeugnisse herstellt oder importiert. Dass der Geschäftsführer für eine Verletzung eines Patents verantwortlich ist, wird dann vermutet.

 

Gerade im technischen Bereich, in dem Patente eine Rolle spielen, laufen Geschäftsführer damit Gefahr, für die Verletzungen von Patenten Dritter zu haften.

2. Urheberrecht: Haftung des sog. Störers auf Unterlassen

Eine Besonderheit des Urheberrechts ist die sog. Störerhaftung. Selbst wenn ein Geschäftsleiter nicht als Täter oder Teilnehmer verurteilt werden kann, ist eine Haftung als sog. Störer möglich. Er haftet dann auf Unterlassen, jedoch nicht auf Schadensersatz. Die Anforderungen hierfür sind abgesenkt. Erforderlich ist, dass der Geschäftsleiter Kenntnis von der Urheberrechtsverletzung eines Angestellten hat und diese nicht verhindert.

 

Haftungsrisken für Geschäftsleiter lassen sich ggf. durch eine Ressortaufteilung zwischen mehreren Geschäftsführern für den Einzelnen verringern. Eine Überwachung der Mitgeschäftsführer muss dennoch stattfinden. In dem Moment, in dem ein Geschäftsführer Kenntnis von einer Rechtsverletzung in einem anderen, von ihm nicht betreuten Ressort erlangt, ist er verpflichtet einzuschreiten. Ansonsten droht auch ihm eine (Störer-)Haftung (OLG Hamburg, 28.02.2013 - 3 U 136/11).

3. Wettbewerbsrecht (UWG): Aufgabe der Störerhaftung, Haftung für Untätigkeit nur bei Garantenstellung (BGH „Geschäftsführerhaftung“ – 2014)

Höhere Anforderungen an eine Haftung hat der BGH bei der Verletzung von UWG-Vorschriften. Die Haftung dort ist also am anderen Ende der Haftungsskala zu verorten.

 

Der Geschäftsleiter haftet   nur im Außenverhältnis für seine Untätigkeit, wenn sich eine Garantenstellung hinsichtlich der Rechte des Dritten herleiten lässt (BGH vom 18.06.2014 “Geschäftsführerhaftung“). Bloße Kenntnis soll dabei nicht ausreichen. Die Störerhaftung bei UWG-Verletzungen wurde damit aufgegeben. Ein Geschäftsführer haftet aber sehr wohl für ein rechtswidriges Geschäftsmodell.

4. Marken und Designrecht: Haftung nur bei Garantenstellung des Geschäftsleiters

Im Markenrecht kommt es – wie im Wettbewerbsrecht (UWG) – für eine Haftung durch Unterlassen auf das Bestehen einer Garantenstellung an.

 

Ein Geschäftsführer haftet bei Untätigkeit, wenn der Schutz von Rechten Dritter zu seinen Aufgaben gehört. Die Stellung als Garant kann auch daraus resultieren, dass sich aus der Unternehmenstätigkeit der Gesellschaft eine konkrete Gefahrenlage ergibt (OLG Karlsruhe, Urt. v. 25.05.2016 – 6 U 17/15). Für eine Haftung muss das Markenrecht der Gesellschaft anvertraut worden sein. Ebenso wenig reichen gesetzliche Pflichten der Gesellschaft gegenüber Dritten für eine Garantenstellung aus.

 

Auch im Designrecht ist für eine Haftung des Geschäftsführers durch Untätigbleiben eine Garantenstellung erforderlich. Dazu kann es darauf ankommen, ob eine Maßnahme vorliegt, über die typischerweise auf Geschäftsführungsebene entschieden wird (BGH vom 28.01.2016 – „Armbanduhr").

Fazit

Geschäftsführer und Vorstände sollten sich ihrer persönlichen Verantwortung für die Rechte Dritter bewusst sein. Verletzungen von IP-Rechten sollten durch den sorgsamen Umgang mit Immaterialgütern und entsprechende rechtliche Beratung – u.a. beim Aufbau von (neuen) Geschäftsmodellen – sichergestellt werden.