Vereine und Stiftungen: Wirksame Beschlussfassung in Zeiten von Corona

03.02.2021 | FGS Blog

Vieles ist derzeit aufgrund der pandemiebedingten Einschränkungen nicht oder nur unter erschwerten Bedingungen möglich. Das betrifft auch die Willensbildung und Beschlussfassung in Vereins- und Stiftungsgremien. Gleichwohl ist es für Vereine und Stiftungen wichtig, dass ihre Organe auch in diesen Zeiten „wasserdichte“ Beschlüsse fassen können. Mangelhafte Beschlüsse führen in der Regel zu deren Unwirksamkeit. Dies hat das Verwaltungsgericht Schleswig zuletzt im Fall einer ALDI-Nord-Familienstiftung wieder bestätigt. Die Konsequenz daraus: Entweder fehlen der Organisation richtungsweisende Entscheidungen oder es entbehrt der Legitimationsgrundlage für ein bestimmtes Handeln.

Befristete Sonderregelung

Der Gesetzgeber hat die Schwierigkeiten durch die Pandemie erkannt. Im März letzten Jahres hat er durch das Gesetz über Maßnahmen im Gesellschafts-, Genossenschafts-, Vereins-, Stiftungs- und Wohnungseigentumsrecht zur Bekämpfung der Auswirkungen der COVID-19-Pandemie (COVMG) für das Jahr 2020 und 2021 vorübergehende Erleichterungen für die Beschlussfassung erlassen (siehe hierzu den Blog-Beitrag vom 25. März 2020).  Zum Jahreswechsel hat er noch einmal nachgebessert (BGBl. I 2020, S. 3328). Gleichwohl sind längst noch nicht alle Fragen geklärt, die sich im Zusammenhang mit Beschlussfassungen bei Vereinen und Stiftungen ergeben.

Das COVMG ermöglicht, dass Mitgliederversammlungen nicht, wie eigentlich vom BGB vorgesehen, als Präsenzversammlung durchgeführt werden müssen, sondern beispielsweise auch als rein virtuelle oder hybride Versammlung abgehalten werden können. Daneben können Beschlüsse unter erleichterten Bedingungen im schriftlichen Verfahren, also ganz ohne Versammlung, gefasst werden.

Ohne die Corona-Sonderregelung wäre dies nur möglich, wenn entweder alle Mitglieder der schriftlichen Beschlussfassung zustimmen (was in der Praxis meist kaum erreichbar ist) oder die Vereinssatzung das Verfahren mit einer geringeren Mehrheit vorsieht. Nun reicht für die schriftliche Beschlussfassung auch ohne Satzungsregelung die gleiche Mehrheit wie für den Beschluss aus (in der Regel einfache Mehrheit). Zudem dürfen die Stimmen auch per E-Mail abgegeben werden. Voraussetzung ist, dass alle Mitglieder beteiligt werden und mindestens die Hälfte ihre Stimme tatsächlich abgibt.

Reichweite der Sonderregelung unklar

Bislang bestand Uneinigkeit, ob die Corona-Erleichterungen auch für die Beschlussfassung anderer Vereinsgremien sowie für Stiftungsgremien gelten. Die Verweisungsregelungen im BGB sprechen dafür, dass die Erleichterungen für alle Vereins- und Stiftungsorgane gelten. Dies wurde mit Wirkung zum 28. Februar 2021 nun ausdrücklich gesetzlich bestätigt. Leider wurde in der Gesetzesbegründung nicht von einer Klarstellung gesprochen, so dass die rechtliche Unsicherheit für die Vergangenheit bleibt. Wichtige Beschlüsse von Vereins- oder Stiftungsvorständen, die außerhalb einer Präsenzversammlung getroffen wurden und der nicht sämtliche Organmitglieder zugestimmt haben, sollten daher im Zweifel erneut – unter Einhaltung sämtlicher rechtlicher Rahmenbedingungen – verabschiedet werden.

Unklar ist außerdem, welche Gremien neben dem Vorstand im Einzelnen erfasst sind. Das Gesetz spricht von „Organen“. Der Organbegriff ist jedoch gesetzlich nicht definiert. Unseres Erachtens sollten alle Gremien erfasst sein, die als solche mit ihren Kompetenzen und Aufgaben unmittelbar in der Satzung genannt sind und somit zur Verfassung des Vereins bzw. der Stiftung gehören. Unerheblich ist, ob es sich um gesetzlich vorgeschriebene oder fakultative Gremien handelt. Auch Ausschüsse und Beiräte können unter dieser Voraussetzung Organe sein. Dies gilt nach unserem Verständnis auch dann, wenn sie in der Liste der Organe, wie sie Satzungen typischerweise enthalten, nicht aufgeführt sind. Dann jedoch muss im Einzelnen genauer geprüft werden, ob laut Satzung gleichwohl eine Organstellung gewollt ist.

Sonstige Regelungen zur Beschlussfassung beachten

Abgesehen von diesen Erleichterungen müssen im Übrigen alle anderen Vorschriften einer ordnungsgemäßen Beschlussfassung weiterhin beachtet werden. So muss beispielsweise auch zu einer virtuellen Mitgliederversammlung weiterhin per Einschreiben eingeladen werden, wenn die Satzung dies als Form für die Einladung vorschreibt. Auch die zutreffende Bezeichnung der Tagesordnungspunkte, die satzungsmäßige Einladungsfrist und Vorgaben zur Durchführung von Wahlen gilt es zu wahren. Daneben gibt es bei der Vorbereitung und Durchführung einer virtuellen/hybriden Versammlung eine ganze Reihe von Details zu beachten, mit denen viele Vereine und Stiftungen bislang noch nicht so vertraut sind wie mit den hergebrachten Formen. Durch gezielte Vorbereitung können hier Verfahrensfehler vermieden werden.

Grundsatz: Nichtigkeit

Die Konsequenzen, die aus der Nichtbeachtung der gesetzlichen und satzungsmäßigen Vorschriften für Beschlussfassungen resultieren, können zu erheblicher Rechtsunsicherheit führen und die Organe empfindlich treffen. Anders als im Aktienrecht sind die Folgen von Verstößen gegen Gesetz oder Satzung für Vereine und Stiftungen nicht gesetzlich geregelt. Nach der Rechtsprechung des BGH sind fehlerhafte Beschlüsse von Vereins- und Stiftungsorganen daher grundsätzlich nichtig, selbst wenn die Stiftungsaufsicht den (fehlerhaften) Beschluss genehmigt hat.

Die in Corona-Zeiten gefassten Beschlüsse von Vereins- und Stiftungsorganen kann die Nichtigkeitsfolge insbesondere dann treffen, wenn das jeweilige Organ nicht beschlussfähig war. Viele Vereinssatzungen sehen vor, dass die Mitgliederversammlung nur bei Teilnahme einer bestimmten Mitgliederanzahl beschlussfähig ist. Gleiches gilt dann auch für die virtuelle Versammlung. Aber auch viele Vereins- und Stiftungsvorstände müssen zur wirksamen Beschlussfassung ein bestimmtes Quorum erreichen. Sieht die Satzung hierzu eine Regelung vor, ist diese – ungeachtet der pandemiebedingten erleichterten Möglichkeiten zur Beschlussfassung – dringend zu beachten.

Zur Nichtigkeit führt auch die Beschlussfassung eines satzungswidrig besetzten Stiftungsvorstands (zuletzt Verwaltungsgericht Schleswig v. 18. Dezember 2020 – 6 B 48/20). Dies kann sich beispielsweise dann ergeben, wenn die in der Satzung vorgesehene Mindestzahl an Vorstandsmitgliedern durch das Ausscheiden eines Mitglieds unterschritten und das Amt noch nicht wieder neu besetzt wurde. Insoweit ist allerdings zu beachten, dass nach § 5 Abs. 1 COVMG der bloße Zeitablauf einer Amtszeit noch bis zum 31. Dezember 2021 nicht dazu führt, dass das Vorstandsamt vakant ist.

Schließlich sind Beschlüsse nichtig, die ohne gesetzliche oder satzungsmäßige Grundlage in einer virtuellen Versammlung gefasst wurden wenn nicht alle Organmitglieder ihre Zustimmung zu der Art der Beschlussfassung erklärt haben. Dies könnte Beschlüsse von Stiftungsorganen betreffen, wenn das COVMG vor seiner letzten Änderung auf Stiftungsorgane noch nicht anwendbar war (siehe oben); die Stiftungsaufsichtsbehörden vertreten dazu unterschiedliche Auffassungen.

Ausnahme: Anfechtbarkeit

Der BGH schränkt jedoch teilweise ein, indem er zwischen Unwirksamkeit und Anfechtbarkeit unterscheidet: Mängel im Zusammenhang mit der Einberufung einer Versammlung führen nur zur Anfechtbarkeit eines gefassten Beschlusses, wenn alle Organmitglieder zur Beschlussfassung erschienen sind. Auch Verstöße gegen Abstimmungsvorschriften (mündlich, schriftlich, geheim) sind nicht per se unwirksam, sondern  müssen gerügt und innerhalb angemessener Zeit angefochten werden, um ihre Wirksamkeit zu beseitigen. Im Vereinsrecht wird zuweilen nach der aus dem Aktienrecht bekannten Relevanz eines Verfahrensmangels gefragt, das heißt, der Verein darf den Nachweis erbringen, dass ein Beschluss nicht auf dem Mangel beruht.

Die Abgrenzung zwischen definitiv unwirksamen und lediglich anfechtbaren Beschlüssen ist jedoch nicht immer leicht und sollte bei Zweifeln an einer ordnungsmäßigen Beschlussfassung im Einzelfall geprüft werden. Dies gilt natürlich auch unabhängig von coronabedingten Sonderregelungen.

Angesichts der weitreichenden Folgen von nicht ordnungsgemäß gefassten Beschlüssen sollten die vorübergehenden Erleichterungen nicht dazu verleiten, die übrigen formellen Vorschriften in Zeiten von Corona zu vernachlässigen. Da die Sonderregelungen nur vorübergehend gelten (Stand heute: bis 31. Dezember 2021), lohnt es sich zudem, die Satzung nun fit für die Zukunft zu machen.