Verschärfungen im Internationalen Steuerrecht durch ATAD-Umsetzungsgesetz geplant

13.12.2019

Mit dem kürzlich veröffentlichten Referentenentwurf eines Gesetzes zur Umsetzung der Anti-Steuervermeidungsrichtlinie (ATAD-Umsetzungsgesetz – ATADUmsG) sollen die europäischen Vorgaben zur Entstrickungs- und Wegzugsbesteuerung und zur Bekämpfung hybrider Gestaltungen ins deutsche Recht umgesetzt werden. Außerdem soll die Hinzurechnungsbesteuerung reformiert und zeitgemäß ausgestaltet werden. Des Weiteren sollen die Verrechnungspreisvorschriften und entsprechenden Dokumentationsvorschriften verschärft werden. Im Übrigen sieht der Referentenentwurf eine Rechtsgrundlage für Vorabverständigungsverfahren (APA-Verfahren) vor.

Anpassung der Hinzurechnungsbesteuerung aufgrund von ATAD

Der Entwurf sieht eine Abkehr vom bisherigen Konzept der (möglicherweise rein zufälligen) Inländerbeherrschung hin zu einem individuellen bzw. personengruppenbezogenen Beherrschungskonzept vor. So soll eine Beherrschung vorliegen, wenn dem Gesellschafter allein oder gemeinsam mit ihm nahestehenden Personen mehr als die Hälfte der Anteile, Stimmrechte, des Kapitals oder des Gewinnanspruchs zuzurechnen sind.

 

Weil auch mittelbare Beteiligungen erfasst werden sollen, entfällt das bislang in § 14 AStG geregelte Konzept der übertragenden Hinzurechnung.

 

Zur Definition schädlicher Einkünfte soll – nach dem Vorbild des § 8 Abs. 1 AStG – an einem Katalog aktiver Einkünfte festgehalten werden. Erstaunlich ist hierbei insbesondere, dass der Entwurf entgegen aller im Vorfeld vorgetragenen Kritik nicht nur an dem bisherigen Konzept der schädlichen Mitwirkung bei Handels- und Dienstleistungsgesellschaften festhalten will, sondern sogar verschärfend wirkt. Denn der Mitwirkungsbestand wird auf in der EU/EWR steuerpflichtige Personen ausgedehnt.

 

Positiv zu werten ist indessen die Beibehaltung der Qualifikation von Gewinnausschüttungen als aktive Einkünfte, weil so auch weiterhin der in § 8b KStG verankerten Systematik Rechnung getragen wird. Allerdings sollen insbesondere Gewinnausschüttungen aus Streubesitz sowie solche Gewinnausschüttungen als passiv gelten, die das Einkommen der leistenden Körperschaft gemindert werden.

 

Die Regelungen zur erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung für Zwischeneinkünfte mit Kapitalanlagecharakter bleiben im Grundsatz unverändert erhalten.

 

Der Substanztest gem. § 8 Abs. 2 AStG bleibt grundsätzlich auf EU-/EWR-Fälle beschränkt. Lediglich die im Rahmen der erweiterten Hinzurechnungsbesteuerung erfassten Kleinstbeteiligungen sollen auch Drittstaatenschutz erlangen. An die Stelle der „tatsächlichen wirtschaftlichen Tätigkeit“ tritt eine „wesentliche wirtschaftliche Tätigkeit“. Zu deren Nachweis wird in Bezug auf die gegenständliche Tätigkeit der Einsatz sachlicher und personeller Mittel verlangt.

 

Zur Vermeidung der Doppelbesteuerung sieht der Entwurf nur noch die Anrechnungsmethode vor, die Abzugsmethode entfällt. Weiterhin ist keine Anrechnung auf die Gewerbesteuer vorgesehen. Der Hinzurechnungsbetrag bleibt jedoch weiterhin gewerbesteuerpflichtig.

 

Die Schwelle zur Niedrigbesteuerung bleibt unverändert bei 25%. Dies wird auch künftig nicht zu rechtfertigende Steuerbelastungen nach sich ziehen.

 

Es erfolgt keine phasenverschobene Hinzurechnung. Künftig soll der Hinzurechnungsbetrag – wie durch die ATAD vorgesehen – mit dem Ende des Wirtschaftsjahres der Zwischengesellschaft (und nicht mehr in der logischen Sekunde danach) zufließen. Ausschüttungen der Zwischengesellschaft werden durch einen neu eingeführten Kürzungsbetrag von der Besteuerung befreit. Hierdurch entfällt § 3 Nr. 41 EStG

Verschärfungen bei der Verrechnungspreisermittlung

Auch die in § 1 AStG niedergelegten Verrechnungspreisvorschriften werden reformiert. Hierdurch soll den im Zuge des BEPS-Projekts erarbeiteten Empfehlungen der OECD Rechnung getragen werden. Die wesentlichste Änderung betrifft § 1 Abs. 3 AStG. Im Abs. 3 AStG-E wird insbesondere der Funktions- und Risikoanalyse ein deutlich stärkeres Gewicht beigemessen.

 

Außerdem wird die sog. Methodenhierarchie abgeschafft. So soll künftig festgeschrieben werden, dass die Verrechnungspreisbestimmung und -prüfung – ausgehend von den tatsächlichen Verhältnissen, u.a. den vertraglichen Beziehungen – wesentlich darauf basiert, dass die i.Z.m. einem Geschäftsvorfall ausgeübten Funktionen, übernommenen Risiken und eingesetzten Vermögenswerten analysiert werden. Dies bildet die Basis der Vergleichbarkeitsanalyse. Zudem ist die „am besten geeignete Verrechnungspreismethode“ zu bestimmen.

 

Der neue Abs. 3a beinhaltet Aussagen zur Bandbreitenbetrachtung. So wird festgeschrieben, dass im Verrechnungspreiskontext regelmäßig eine Bandbreite (potenziell) vergleichbarer Werte resultiert. Diese Bandbreite ist regelmäßig im Wege der Interquartilsmethode einzuengen.

Verschärfungen bei der Funktionsverlagerungsbesteuerung

Die Vorschrift des § 1 Abs. 3b AStG-E beinhaltet die bekannten Vorschriften zur Funktionsverlagerung. Dabei ist künftig nur noch erforderlich, dass Wirtschaftsgüter oder sonstige Vorteile (bislang: und) verlagert werden. Zudem soll es keine Escape-Regelung i.S.d. § 1 Abs. 3 Satz 10 AStG mehr geben.

 

Schließlich sollen nach dem neuen Abs. 3c für Verrechnungspreiszwecke ausdrücklich immaterielle Werte von Bedeutung sein, die ganz im Sinne der OECD-Definition umschrieben werden. Für die Zuordnung der zugehörigen Erträge wird das sog. DEMPE-Konzept kodifiziert. Die Erträge immaterieller Werte sind künftig losgelöst vom (wirtschaftlichen) Eigentum zuzuordnen.

Verrechnungspreise bei Finanzierungsbeziehungen

Im zunehmenden Maße rückt die Ermittlung angemessener Verrechnungspreise bei konzerninternen Finanzierungsbeziehungen (z.B. Darlehen) in den Fokus (Link). Auf internationaler Ebene besteht jedoch (noch) kein Konsens darüber, wie der Fremdvergleichsgrundsatz bei Finanzierungsbeziehungen anzuwenden ist.

 

Vor diesem Hintergrund strebt Deutschland mit der Einführung von Sonderregelungen für Finanzierungsbeziehungen einen Alleingang an. Hierdurch ergeben sich erhebliche Doppelbesteuerungsrisiken für international tätige Unternehmen.

 

Nach den neuen Sonderregelungen wird der Betriebsausgabenabzug u.a. für Zinsaufwendungen bei konzerninternen Darlehen in den folgenden zwei Fällen versagt:

  1. Der Steuerpflichtige kann nicht glaubhaft machen, dass er (a) den Kapitaldienst für die gesamte Darlehenslaufzeit von Anfang an hätte erbringen können (Verschuldungskapazität) und (b) die Finanzierung wirtschaftlich benötigt und für den Unternehmenszweck verwendet wird (Finanzierungsbedarf).
  2. Der zu entrichtende Zinssatz übersteigt denjenigen Zinssatz, zu dem sich der Konzern gegenüber fremden Dritten finanzieren könnte (Refinanzierungszinssatz), wobei die Möglichkeit eines Gegenbeweises besteht.

Darüber hinaus wird u.a. die Zinsvergütung für konzerninterne Weiterleitungsdarlehen auf den risikofreien Zinssatz für laufzeitadäquate Staatsanleihen begrenzt.

Verrechnungspreise bei immateriellen Vermögenswerten

Die Regelungen zur Übertragung immaterieller Werte werden gänzlich neugefasst. So war bislang in der sog. Hellseherklausel des § 1 Abs. 3 Satz 11 f. AStG die Annahme enthalten, dass fremde Dritte bei der Übertragung eines immateriellen Werts eine Preisanpassungsklausel vereinbaren würden. Ist dies bei einer Transaktion zwischen nahestehenden nicht der Fall, so soll dies die Finanzverwaltung einmalig innerhalb von 10 Jahren zu einer Preisanpassung berechtigen. Dieser Grundgedanke findet nun im neuen § 1 Abs. 3c AStG wieder. Konkret soll bei einer Geschäftsbeziehung i.Z.m. immateriellen Werten zu prüfen sein, ob die tatsächliche Gewinnentwicklung wesentlich (Wertabweichung von mehr als 20%) von den der Bewertung zugrunde liegenden Gewinnerwartungen abweicht. Ist die der Fall und wurde keine Preisanpassungsklausel vereinbart, so soll 7 Jahren nach Geschäftsabschluss eine Einkünftekorrektur möglich sein.

Verschärfung der Dokumentationsvorschriften

Zur Dokumentation der Angemessenheit von Verrechnungspreisen muss u.a. eine – innerhalb einer Unternehmensgruppe prinzipiell identische – Stammdokumentation (sog. Master File) von Steuerpflichtigen „großer“ Unternehmensgruppen erstellt werden. Das Master File soll einen Überblick über die globalen Geschäftstätigkeiten und die Verrechnungspreispolitik der Unternehmensgruppe geben.

 

Ein Master File ist bislang nur dann zu erstellen, wenn der Umsatz des Unternehmens im vorangegangenen Wirtschaftsjahr mindestens 100 Mio. € betragen hat. Dieser Schwellenwert soll nach dem ATAD-UmsG auf 50 Mio. € herabgesetzt werden. Betroffen sind die Wirtschaftsjahre, die nach dem 31.12.2020 beginnen.

 

Außerdem soll das Master File zukünftig vom Steuerpflichtigen spätestens nach Ablauf eines Wirtschaftsjahres für dieses Wirtschaftsjahr der örtlich zuständigen Finanzbehörde elektronisch übermittelt werden. Dies könnte bedeuten, dass das Master File für das Wirtschaftsjahr 1.1.2021 bis 31.12.2021 bereits spätestens mit Ablauf des 31.12.2021 übermittelt werden müssen.

Vorschriften für Vorabverständigungsverfahren

Das ATAD-UmsG will erstmalig eine eigenständige nationale Rechtsgrundlage für bi- und multilaterale Vorabverständigungsverfahren (APA-Verfahren) schaffen. Das APA-Verfahren soll zukünftig nur dann antragsgemäß eingeleitet werden, sofern es der steuerlichen Beurteilung von genau bestimmten, im Zeitpunkt der Antragstellung noch nicht verwirklichten Sachverhalten für einen bestimmten Geltungszeitraum dient. Der Steuerpflichtige hat in seinem Antrag u.a. die Gefahr einer Doppelbesteuerung darzulegen und zu begründen. Wenn Steuervermeidung als erkennbares Motiv im Antrag zutage tritt, wird jedoch kein APA-Verfahren eingeleitet.

Entstrickungsbesteuerung, hybride Gestaltungen und Wegzugsbesteuerung aufgrund von ATAD

Schließlich enthält der Entwurf Neuerungen i.Z.m. hybriden Gestaltungen, der Entstrickungs- sowie der Wegzugsbesteuerung. Zur Bekämpfung von Besteuerungsinkongruenzen auf Grund sog. hybrider Elemente soll ein neuer § 4k EStG (Versagung des Betriebsausgabenabzugs) eingeführt und § 50d Abs. 9 EStG erweitert werden.

 

Die Entstrickungsbesteuerung wird in den §§ 4, 4g, 6, 9 und 36 EStG sowie in § 12 KStG dahingehend überarbeitet, dass bei der grenzüberschreitenden Überführung von Wirtschaftsgütern eine ratierliche Aufdeckung der stillen Reserven erfolgt. Zudem wird eine Verpflichtung eingeführt, bei Zuzugsfällen die im Rahmen der ausländischen Entstrickungsbesteuerung angesetzten Werte anzuerkennen (Wertverknüpfung). Hinsichtlich der Wegzugsbesteuerung sieht der Entwurf u.a. eine Vereinheitlichung der Stundungsregelungen sowie Erleichterungen bei der Anwendung der Rückkehrerregelung hinsichtlich der Wegzugsbesteuerung natürlicher Personen im Rahmen des § 6 AStG vor.