Verzögerungstaktiken des Betriebsrats

14.10.2019

Ein Betriebsrat, der sich seiner Mitbestimmung entzieht, kann sich in besonders schwerwiegenden Fällen nicht auf die Verletzung seines Mitbestimmungsrechts berufen. So entschied das BAG mit Beschluss vom 12.3.2019 (Az.: 1 ABR 42/17).

 

Dass ein Betriebsrat dem Arbeitgeber das Leben schwer machen kann, ist hinlänglich bekannt. Das BAG hatte nun aber wieder Gelegenheit zu konkretisieren, wo die Grenzen der Befugnisse des Betriebsrats liegen. In diesem Zusammenhang ist insbesondere an „Koppelungsgeschäfte“ zu denken: Mit dem Begriff des Koppelungsgeschäfts wird der Fall beschrieben, in welchem der Betriebsrat seine Zustimmung von Bedingungen abhängig macht, für die kein Mitbestimmungsrecht besteht.

 

Handlungsoptionen des Arbeitgebers bei Verzögerungstaktiken des Betriebsrats ungeklärt

 

Ungeklärt sind bislang die Handlungsoptionen des Arbeitgebers, wenn der Betriebsrat seine Mitbestimmungsrechte nicht nutzt und sogar eine Lösung durch die Einigungsstelle so lange verzögert, dass sich die Angelegenheit bis zur Entscheidung erledigt. Für einen betroffenen Arbeitgeber hat diese Frage höchste Dringlichkeit, denn die fehlende Mitbestimmung führt durch den Grundsatz der Mitbestimmung als Wirksamkeitsvoraussetzung zur Unwirksamkeit mitbestimmungspflichtiger Handlungen. Das BAG hatte nunmehr eine Entscheidung in diesem Zusammenhang zu treffen.

 

Hintergrund der Auseinandersetzung

 

Der Betriebsrat einer Klinikbetreiberin weigerte sich beharrlich, sein Mitbestimmungsrecht zur Dienstplanung auszuüben und nutzte alle Verzögerungsmittel, die ihm das Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG) sowie das Prozessrecht zur Verfügung stellen. Unter anderem weigerte sich der Betriebsrat, freiwillig eine Einigungsstelle zu errichten, legte gegen Beschlüsse des Arbeitsgerichts zur Einsetzung einer Einigungsstelle Beschwerde ein (oder drohte diese an) und lehnte vor Rechtskraft des Beschlusses die Errichtung der Einigungsstelle mit dem Argument ab, dass wegen der Komplexität der Frage keine rechtzeitige Einigung erzielt werden könne. Die Arbeitgeberin kam mit allen ihr durch das BetrVG gewährten Möglichkeiten zu keiner Einigung, so dass ihr zur Aufrechterhaltung des Klinikbetriebs nichts anderes übrigblieb, als die Dienstpläne ohne Mitbestimmung des Betriebsrats bekanntzugeben. Hiergegen wehrte sich der Betriebsrat mit einem Unterlassungsanspruch.

 

Entscheidung des BAG an Fallgestaltung geknüpft

 

Das BAG sah in dem Verhalten des Betriebsrats eine unzulässige Rechtsausübung. Der Betriebsrat ist gesetzlich durch das Gebot zur vertrauensvollen Zusammenarbeit (§ 2 Abs. 1 BetrVG) und den Grundsätzen für die Zusammenarbeit (§ 74 Abs. 1 S. 2 BetrVG) zur Mitwirkung verpflichtet. Im konkreten Fall waren aber die besonderen Umstände entscheidend, nämlich, dass die Arbeitgeberin als Krankenhausbetreiberin zur Versorgung der Patienten Dienstpläne rechtzeitig planen und durchsetzen muss.

 

Eine Übertragung auf andere Fallgestaltungen ist jedoch problematisch, da das BAG trotz dieser grundsätzlichen Pflicht zur Mitwirkung einen Rechtsmissbrauch nur in „besonders schwerwiegenden, eng begrenzten Ausnahmefällen“ annimmt. Welche Situationen unter „besonders schwerwiegende, eng begrenzte Ausnahmefälle“ fallen, ließ das BAG aber offen. Für Arbeitgeber bedeutet dies in einer möglicherweise existenziellen Lage Rechtsunsicherheit.

 

Arbeitsgerichte in der Pflicht

 

Die Arbeitsgerichte werden diese Rechtsprechung in Zukunft konkretisieren müssen. Ob die Ausnahmefälle durch Pflichtverletzungen besonderer Erheblichkeit und längerer Dauer charakterisiert sind, oder auch eine einzelne, für den Arbeitgeber aber existenzielle Pflichtverletzung des Betriebsrats zum Ausschluss der Mitbestimmungsrechte führen kann, ist nur eine der offen gebliebenen Fragen.

 

Trotz Entscheidung: Risiko liegt weiterhin beim Arbeitgeber

 

Für Arbeitgeber bedeutet die Entscheidung zunächst aber auch, dass er bei Blockadehaltungen des Betriebsrats alle Mittel des BetrVG nutzen sollte. Weigert sich der Betriebsrat, freiwillig eine Einigungsstelle einzusetzen, sollte der Arbeitgeber den Beschluss über die Bestellung der Einigungsstelle beantragen. Verzögert der Betriebsrat die Einsetzung, insbesondere durch die Nichtbenennung von Mitgliedern, muss der Arbeitgeber die Rechtskraft des Urteils abwarten. Erst wenn sich abzeichnet, dass der Betriebsrat eine Entscheidung aktiv verzögert, kann bei Sachverhalten mit - für den Arbeitgeber - erheblicher Bedeutung eine rechtsmissbräuchliche Fallgestaltung vorliegen.

 

Wie hoch die Chancen zur Anerkennung eines Rechtsmissbrauchs vor Gericht stehen, kann nur im Einzelfall beurteilt werden. Erst bei positiver Beurteilung kann in Betracht gezogen werden, die mitbestimmungspflichtigen Angelegenheiten auch ohne Zustimmung des Betriebsrats durchzuführen. Das Risiko hat das BAG mit seiner Entscheidung dem einzelnen Arbeitgeber aufgebürdet.

 

Den Beschluss finden Sie hier.