Wohnungseigentümer oder WEG? Wer kann Mängelrechte in der Wohnungseigentümergemeinschaft geltend machen?

12.01.2023 | FGS Blog

Seit der grundlegenden Reform des Wohnungseigentumsgesetzes (WEG-Reform) im Jahr 2020 (siehe zur WEG-Reform unseren Blog-Beitrag vom 14. Oktober 2020) war unklar, ob die Beseitigung von Mängeln am Gemeinschaftseigentum von einzelnen Wohnungseigentümern oder von der Wohnungseigentümergemeinschaft verlangt werden kann. In seinem Urteil vom 11. November 2022 hat der Bundesgerichtshof (BGH) die in der Literatur viel diskutierte Rechtsfrage teilweise geklärt und die Begründung des Urteils nun veröffentlicht.

Nacherfüllungsansprüche am Gemeinschaftseigentum stehen grundsätzlich den einzelnen Wohnungseigentümern zu

Nach der Entscheidung des BGH stehen Nacherfüllungsansprüche am Gemeinschaftseigentum grundsätzlich weiterhin den einzelnen Wohnungseigentümern zu.

Hieran hat nach der Entscheidung des BGH auch der im Rahmen der WEG-Reform neu eingefügte § 9a Abs. 2 WEG nichts geändert. Danach ist die WEG zur Ausübung von Rechten befugt, wenn sich Ansprüche aus dem gemeinschaftlichen Eigentum ergeben oder eine einheitliche Rechtsverfolgung erfordern. Dies soll bei Nacherfüllungsansprüchen bezüglich des Gemeinschaftseigentums nicht der Fall sein. Hintergrund ist, dass sich Nacherfüllungsansprüche auch bezüglich des Gemeinschaftseigentums nicht aus dem gemeinschaftlichen Eigentum, sondern aus dem jeweiligen Erwerbsvertrag ergeben. Zudem besteht auch kein Erfordernis einheitlicher Rechtsverfolgung für solche Ansprüche, weil ein Wohnungseigentümer, der seine auf das Gemeinschaftseigentum bezogenen Mängelbeseitigungsrechte durchsetzt, grundsätzlich auch im Interesse der WEG handelt. Nacherfüllungsansprüche bezüglich des Gemeinschaftseigentums stehen damit weiterhin den einzelnen Wohnungseigentümern zu.

WEG kann Ansprüche weiterhin vergemeinschaften

Der BGH hat weiter klargestellt, dass die WEG die Durchsetzung des Nacherfüllungsanspruchs bezüglich des Gemeinschaftseigentums nach wie vor im Wege eines Mehrheitsbeschlusses an sich ziehen kann. Die Beschlusskompetenz der WEG hierzu folgt aus §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG. Folge ist, dass die WEG im Hinblick auf den Nacherfüllungsanspruch prozessführungsbefugt ist. Der einzelne Wohnungseigentümer kann den Anspruch nicht mehr geltend machen.

Aufteilung der Mängelrechte zwischen Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümergemeinschaft

Nicht entscheiden musste der BGH, wie die weiteren Mängelrechte im Hinblick auf das Gemeinschaftseigentum durchgesetzt werden. Die Aufteilung dieser Mängelrechte zwischen dem Wohnungseigentümer und der Wohnungseigentümergemeinschaft ist komplex.

Zunächst muss zwischen Mängeln am Sonder- und Gemeinschaftseigentum differenziert werden. Mängelrechte bezüglich des Sondereigentums stehen grundsätzlich dem einzelnen Wohnungseigentümer zu. Die WEG wird Mängelrechte bezüglich des Sondereigentums nicht an sich ziehen können. Daher ist stets zunächst zu prüfen, welcher Eigentumsbereich betroffen ist.

Ist Gemeinschaftseigentum betroffen, wird man vermutlich auch nach der WEG-Reform im Hinblick auf die einzelnen Mängelrechte differenzieren müssen. Als Mängelrechte kommen – neben dem nun vom BGH entschiedenen Nacherfüllungsanspruch – der Anspruch auf kleinen und großen Schadensersatz, das Recht der Minderung sowie das Rücktrittsrecht in Betracht. Vor der WEG-Reform ging die Rechtsprechung davon aus, dass

  • dem einzelnen Wohnungseigentümer der Anspruch auf großen Schadensersatz sowie das Rücktrittsrecht zusteht und diese auch nicht von der WEG durch Mehrheitsbeschluss an sich gezogen werden können;
  • der WEG der Anspruch auf kleinen Schadensersatz und das Recht der Minderung im Rahmen sog. geborener Ausübungsbefugnis zustehen – jedenfalls sofern sie ihre Grundlage in einem Werkvertrag finden;
  • dem einzelnen Wohnungseigentümer der Nacherfüllungsanspruch zusteht, die WEG diesen allerdings durch Beschluss an sich ziehen und im Rahmen sog. gekorener Ausübungsbefugnis geltend machen kann.

Ob es bei dieser Differenzierung bleibt, musste der BGH im vorliegenden Fall nicht entscheiden. Er hat sich lediglich dahingehend positioniert, dass jedenfalls der Nacherfüllungsanspruch nicht in den Anwendungsbereich des § 9a Abs. 2 WEG fällt, die WEG diesen aber weiterhin aufgrund §§ 18 Abs. 1, 19 Abs. 2 Nr. 2 WEG durch Beschluss vergemeinschaften kann. Ob der Anspruch auf kleinen Schadensersatz und das Recht der Minderung unter den Anwendungsbereich von § 9a Abs. 2 WEG zu fassen sind, wird in der Literatur teilweise in Frage gestellt.

In der Praxis: Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung beachten

Die vorstehenden Grundsätze des BGH gelten nicht ausnahmslos. So können die Wohnungseigentümer durch Regelungen im Rahmen der Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung Einfluss auf die Geltendmachung von Mängelrechten nehmen. Beispielsweise können abweichend von der gem. § 25 Abs. 1 WEG geforderten einfachen Beschlussmehrheit abweichende Mehrheitserfordernisse vereinbart werden oder über die Vergabe von Sondernutzungsrechten Gemeinschaftsflächen einzelnen Wohnungseigentümern zugeordnet werden, was sich wiederum auf die Ausübungsbefugnis jeweiliger Rechte auswirken kann. Der einzelne Wohnungseigentümer sollte insofern schon bei Erwerb von Wohnungseigentum Teilungserklärung und Gemeinschaftsordnung diesbezüglich im Detail prüfen. Aber auch für einen Bauträger ist es ratsam, sich schon bei der Bildung von Wohnungseigentum und dem Verfassen der Teilungserklärung die Inhaberschaft einzelner Rechte in Verbindung mit der jeweiligen Ausübungsbefugnis zu vergegenwärtigen, um – wo zweckdienlich – entsprechende Vorkehrungen zu treffen.